Ausgabe 04 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

„Another Fucking Readymade"

Die kuratorische Kata-Strophe der 4. berlin biennale

Keine Sorge. Katastrophen klingen schlimmer als sie sind. „Kata" steht für „um-/herum-" und „strophe", mit längerem e, für „drehen" oder „wenden". Den Spieß umdrehen ist somit ein schlichtes „katastrophein": „Hey Feistos, dreh doch mal um." Das Fleisch bleibt sich gleich und die Glut im Herd auch. Für die Berlin Biennale heißt das: Ihr Initiator, Klaus Biesenbach, ist mittlerweile beim Museum of Modern Art, New York City, angekommen, dieweil halb New York nach Berlin-Mitte reist; Hans Ulrich Obrist, Mitkurator der ersten Biennale 1998, jetlagt zwischen Art Basel und Shanghype; und schließlich: Nancy Spector kuratiert zeitgenössische Kunst bei Guggenheim.

„Im Sinne dieser Vorreiterrolle ernannte ein Komitee, bestehend aus Namen und Institutionen, ein Team bestehend aus Maurizio Cattelan, Massimiliano Gioni und Ali Subotnick als KuratorInnen der 4. berlin biennale." „Ernannte" ist gut. Drei Namen, drei Nomen: „Strategien. Ideen. Talente... begrüßt berlin biennale Gründungsdirektor Klaus Biesenbach diese Entscheidung." Im Sinne einer Nachreiterrolle?

Amsterdam, 1996. Die halbstaatliche Galerie de Appel organisiert ein Trainingsprogramm für junge Kuratoren aus, na, halb Europa, und besonders jung ist 1996 ein Teilnehmer mit 36 (sic!) Jahren: Maurizio „Mo" Cattelan. Teil des Trainings ist „the CRAP SHOOTER", eine zweiteilige Zeitung, die Kuratorisches aller Art versammelt, Statements, explizierte Ironie, Essays, „De Appel Curator League Tables", Schwarzweißfotografien und Werbung. Ein Text gilt Maurizio Cattelan, der unablässig „Fratzen schneidet und ständig versucht, dich zum Lachen zu bringen und dessen Hände immer herumwandern müssen". Aber nicht Jerry Lewis wird im folgenden bemüht, um zu erklären, daß Cattelan es verstehe, sich jedem Zugriff zu entziehen, sondern: Zorro. Der Titel des Porträts: „Like a Thief in the Night".

Amsterdam, 1996, 11. April. Maurizio „Mo" Cattelan hat mit dem Titel seines Porträts Ernst gemacht und ­ die Betonung liegt auf dem „like" ­ der Bloom Galerie die Lieferung der kommenden Ausstellung entwendet. Ein Dutzend Kisten, auf denen „VER-HUIS BOX" (dt. Umzugskarton) steht, und ein weiteres Dutzend gut verpackter, großformatiger Bilder von Paul de Reus. In Berlin wäre das, als ob die NGBK den NBK bestehlen würde; es gibt eine Menge Streit, und tagelang wird diskutiert, ob die Polizei eingeschaltet werden soll. Am Ende wird „Maurizio Cattelan: Another Fucking Readymade, 11 April (10.30 a.m.), 1996 Courtesy Bloom Gallery" gezeigt ­ ein Foto. Der Arbeitstitel lautete: „Operation Giant Blossom". Zähne zeigen zum Applaus.

bb4, 2006. Wie seinerzeit die Bloom Galerie und Paul de Reus sind auch bei der 4. Berlin Biennale die Teilnehmenden nurmehr Lieferanten. Den „Sinn" geben bei Of Mice and Men andere vor, die Kurator/inn/en. Wie dem Klerus in vormodernen Zeiten obliegt ihnen das Bildprogramm ­ nur eben nicht per Auftrag, sondern per Selektion am Markt. Das Readymade ernannte als Readymade.

ig wilms

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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