Ausgabe 04 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kurzkultur

siebziger galore!

Es geht also doch! Während sich die Künstlerhaus-Kunstmenschen im Bethanien von ihren neuen Nachbarn, den Yorck59-Besetzern, distanzieren und wohl insgeheim die Räumung herbeisehnen, solidarisieren sich die Musiker des Ensembles Zwischentöne, das 1988 im Bethanien gegründet wurde, mit New Yorck. Und sie tun das mit Musik des britischen Avantgarde-Komponisten Cornelius Cardew. Nach dem Solo-Konzert wird über „Radikale Kunst und Politik in den 70ern und heute" diskutiert. Wir begrüßen sehr, daß hier Neue-Musik-Spezialisten mal über den Tellerrand blicken und Stellung beziehen, und empfehlen dringend hinzugehen! Wie sagte doch Cornelius Cardew? „It is not enough to decorate the world, the point is to influence it."

>> „zwischenräume[n]" – Solidaritätskonzert des Ensembles Zeitkratzer am 5. Mai um 20 Uhr im New Yorck im Bethanien, Mariannenplatz 2, Kreuzberg

kunstspeicher galore!

Das Bezirksamt Pankow sucht für die denkmalgerechte und stadtteilverträgliche temporäre kulturelle Nutzung der beiden Wasserspeicher in Prenzlauer Berg ein neues künstlerisches Konzept. Der künstlerische Betrieb soll organisatorisch und wirtschaftlich selbständig im Auftrag des Fachbereichs Kultur und in begleitender Unterstützung des Förderband e.V. ­ Kulturinitiative Berlin geführt werden. Dem von Förderband e.V. unterhaltenen Kulturbüro obliegt das Management zur Einhaltung aller Auflagen der zu beteiligenden Ämter. Das Konzept zur temporären kulturellen Bespielung der Wasserspeicher wird für zwei Jahre mit Option auf ein weiteres Jahr ausgeschrieben. Spielbeginn wird voraussichtlich die Saison ab Juni 2007 sein. Die effektive Spielzeit je Saison (Mai bis Oktober, inklusive Vor- und Nachbereitung) beträgt maximal 80 Tage. Zur Entscheidungsfindung wird ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt. Abgabeschluß ist der 16. Juni 2006.

>> Informationen und Unterlagen:

Bezirksamt Pankow von Berlin, Abt.

Kultur, Wirtschaft und öffentliche

Ordnung, Amt für Kultur und Bildung, Fachbereich Kultur, Danziger Straße 101, fon: 902953801, fax: 902953849

märchen galore!

Jenseits des Mainstreams der Lesebühnen und Literaturhäuser veranstaltet der Verein perspektive literatur berlin, lose verbunden mit der Literaturzeitschrift perspektive, seit dem letzten Jahr eine Lesereihe in Kreuzberg. Am 9. Mai ist dort mit Lisa Spalt eine der interessantesten österreichischen Autorinnen der jüngeren Generation zu Gast ­ eine der wenigen, die sich weigern, zu altbackenem Erzählen zurückzukehren und die Arbeit am Text als kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Zuständen begreifen. Spalt stellt ihre Lesung unter das Motto „Froschkönig & Söhne" und stellt u.a. einen Text vor, in dem sie (sprachliche) Posen entlarvt.

>> Lisa Spalt liest am 9. Mai um 20 Uhr im Ladenlokal in der Körtestr. 3, Kreuzberg

sozialismus galore!

Wie fortschrittlich mag es in Wirklichkeit zugehen im Venezuela des Hugo Chavez? Die junge Welt und die FAZ berichten Unterschiedliches. Aufschluß verspricht ein neuer Film von Dario Azzellini und Oliver Ressler. Sie haben sich an der Basis umgesehen und fünf venezolanische Fabriken ­ u.a. eine Aluminiumhütte und eine Tomatenfabrik ­ besucht, die von der Belegschaft verwaltet und dabei von der Regierung unterstützt werden.

>>" 5 Fabriken – Arbeiterkontrolle in Venezuela" von Dario Azzellini und Oliver Ressler, am 17. Mai im Lichtblick-Kino, Kastanienallee 77, Prenzlauer Berg

chinesen galore!

Bauen Sie sich Assoziationsbrücken, so Sie sich die folgenden Namen nicht sofort merken können, und beachten Sie, daß die Vornamen den Nachnamen folgen: Al Weiwei, An Hong, Bai Yiluo, Cang Xin, Cao Fei, Chen Lingyang, Chen Shaoxiong, Cui Xiuwen, Feng Feng, Gao Brothers (Gao Zhen und Gao Qiang), Hai Bo, Hong Lei, Hong Hao, Huang Yan, Sze Tsung Leong, Li Wei, Liu Wei, Liu Zheng, Ma Liuming, Miao Xiaochun, Qui Zhije, Rong Rong, Sheng Qi, Song Dong, Sui Jianguo, Zhan Wang und Yu Fan, Sun Yuan, Wang Gongxin, Wang Jin, Wang Qingsong, Wang Wei, Weng Fen, Xing Danwen, Xiong Wenyun, Xu Zhen, Yang Fudong, Yang Yong, Yang Zhenzhong, Yin Xiuzhen, Zhang Dali, Zhang Huan, Zhao Liang, Zhao Shaoruo, Zhou Xiaohu, Zheng Guogu, Zhu Ming und Zhuang Hui präsentieren allesamt im Rahmen eines Festivals mit dem sehr zeitgenössischen Titel China ­ Zwischen Vergangenheit und Zukunft viel neue Fotografie und Video. Das Ganze soll einen repräsentativen Überblick über die innovativsten chinesischen Foto- und Videoarbeiten der letzten zehn Jahre ergeben.

>> „Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Neue Fotografie und Video aus China", noch bis zum 14. Mai im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Di bis So und feiertags 12 bis 20 Uhr, Eintritt 3 Euro, ermäßigt 2 Euro

elektro galore!

Bei all dem Neo-Rock'n'Roll und Gitarrengeschrammel landauf, landab gerät es schnell in Vergessenheit: Da war doch noch was mit diesem ganzen elektronischen Zeug. Früher waren die Skandinavier mit ihren Minimalflächen weit vorne, die sich im Zweifelsfall anhörten wie eine Audiotest-CD. Minit kommen aus Australien, arbeiten seit einiger Zeit in Berlin und präsentieren im n.b.i., was sich in Sachen Test-CD und unendlich weiten Elektro-Flächen in der Zwischenzeit so getan hat.

>> Minit, am 9. Mai um 21 Uhr im n.b.i., Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36, Prenzlauer Berg

fremdbilder galore!

Besonders schön abgründig, soft-rokkend oder gar knallhart-minimal werden die Künstler in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) mit ihrer demonstrativ selbstreflexiven Titelmontage Sexy Mythos ­ Selbst- und Fremdbilder von Künstler/innen kaum rüberkommen. Dennoch, kopffickende Recherchen von bauchfreien Arbeitsgruppen zu Themen wie „Künstlerbilder im Sozialismus", „Aktuelle Mythen von Meisterschaft" oder „Anerkennungsprozesse von Künstlerinnen", verbunden mit etwas „Leipziger Schule"-Kritik, sind zu akzeptieren, wenn man bei der Arbeitsgruppe von Doris, Franziska, Julia, Antje, Thomas und Moira mit nachhaltiger sinnlicher Skepsis bedient wird. Wenn die Vorstellung vom Wesen des Künstlers tatsächlich im wesentlichen auf Mythenbildung beruhen sollte, dann hat sich die Vorstellungskraft vermutlich am Mythos der NGBK-Künstlerinnen auch schnell sattgefressen. Aber dann war's immerhin nicht schade ums sexy Fremdbild.

>> „Sexy Mythos", noch bis zum 21. Mai in der NGBK, Oranienstr. 25, Kreuzberg, Mo bis So, 12 bis 18.30 Uhr

theater galore!

Für alle, die im Gegensatz zu unseren Kulturredakteuren freiwillig ins Theater gehen: Zum 43. Theatertreffen sind auf Grundlage einer Jury-Entscheidung elf

Inszenierungen aus Berlin, Basel, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Halle an der Saale, Hannover, Mannheim etc. geladen. Eine einzige Regisseurin darf mit ihrer Platonov-Inszenierung aus Stuttgart dabei sein: Karin Henkel.

>> 43. Theatertreffen vom 5. bis 21. Mai, www.berliner-festspiele.de

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