Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Voll grün!

Das Grünflächenamt Mitte greift durch

Foto: Steffen Schuhmann

Diejenigen unter uns, die den sommerlichen Feierabend gern auf öffentlichen Grünflächen verbringen, kennen die Angst vor Sommergewittern. Sie sollten sich vorsehen: Im Tiergarten drohen ihnen bald schlimmere Donnerwetter als bloß ein bißchen Regen und Sturm. Denn der Leiter des Grünflächenamtes Mitte, Harald Büttner, zürnt, seit er mit eigenen Augen mitansehen mußte, wie der Tiergarten von Grillern, Eisverkäufern, Campern und Vandalen heim gesucht wird. An mehreren Wochenenden hatte sich Büttner, begleitet von Fotografen und gefolgt von Polizisten, an die er die schlimmsten Vorkommnisse zur Bearbeitung weiter gab, ein Bild von der Lage gemacht. Am 20. Juni stellte er das Ergebnis der Presse vor.

Ausschnitt aus der langen Liste von Un- und Bösartigkeiten: Lagerfeuer, Rauchschwaden, überfüllte Mülleimer und abgestellte Autos, Veranstaltungen, bei denen die Stühle zurückgelassen werden, Familienfeiern im Spielplatzbereich, Massenschlägereien mit Nasenbeinbrüchen. Schwarzhandel mit Eiscreme und kühlen Getränken, illegalen Drogen und sexuellen Dienstleistungen, letztere oft „total pervers" und zu allem Überfluß nachts erbracht, wenn sie nachtaktive Singvögel bei ihrem Liebeswerben stören. Nur noch 14 von einstmals 24 Nachtigallpaaren verstecken sich im schütter gewordenen Grün des Parks. Kein Wunder: Löcher im Rasen, geschädigte Bäume, Müll allenthalben und womöglich sogar Infektionsgefahr – wer will schon in so einem Dreck leben? Niemand! (Außer Türken und Schwulen natürlich.)

Stadtentwicklungsstadträtin Dorothee Dubrau weiß auch keinen Rat mehr. Ständig den Rasen neu ansäen, mehr wässern, häufiger aufräumen, den Müll trennen, die geschützten Bereiche des Tiergartens schützen – das Grünflächenamt bräuchte viel mehr Geld und Mitarbeiter, bekommt aber von beidem im-mer weniger. Um dieses Dilemma zu lösen, macht Dubrau drei Vorschläge: erstens mehr Öffentlichkeitsarbeit, zweitens mehr „Ausweichflächen" und drittens mehr „ordnungspolitische Maßnahmen".

Als „Ausweichfläche" könnte nach Dubraus Vorstellung jede städtische Brache dienen, die ungenutzt und nutzlos verwildert. Ein guter Teil des bislang unbebauten Berliner Baulandes könnte den Bürgern als Grillfläche zur Verfügung gestellt werden. Da sich solche Flächen allerdings in privater Hand befinden, hätte die Öffentlichkeit wohl nur begrenzt Zugang: Am realistischsten erscheint dem Bezirksamt ein Gebührenmodell, mit numerierten Grillstellen in allen gewünschten Größen.

Die „ordnungspolitischen Maßnahmen" bedeuten nichts anderes als die verschärfte polizeiliche Maßregelung aller Nutzergruppen, die in einem Park etwas anderes als Naturgenuß zu finden hoffen. Die Bußgelder sollen erhöht, die Strafverfolgung gestrafft werden. Bisher ist es den Mitarbeitern des Grünflächenamtes nicht erlaubt, diePersonalien kalt erwischter Falschnutzer aufzunehmen. Darum denkt Dubrau unterstützt von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, über eine Art Parkpolizei aus uniformierten Grünflächenamtsmitarbeitern nach. Diese „Eingreiftruppe" (Dubrau) bzw. „örtlichePolizei" (Strieder) hätte dann die nötige Autorität, Bußgelder einzutreiben. Vorbild ist Frankfurt am Main, wo man für eine weggeworfene Kippe 15, für unerlaubtes oder nicht sachgemäßes Grillen 50 Euro einrechnen muß. Für Berlin stehen die Tarife noch nicht fest: „Unter 150 Euro", verspricht Dubrau, und Büttner ergänzt: „Freiwillig! Man kann auch ein Verfahren einleiten lassen."

Ein totales Grillverbot, wie es regelmäßig im Senat diskutiert wird und jüngst vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzbergfür den Viktoriapark ausgesprochen wurde, will Dubrau übrigens vermeiden. Sie setzt auf einen „Erziehungsprozeß": Die Nutzer sollen lernen, sachgerecht und nur an bestimmten Orten zu grillen, ihre Gewohnheiten sollen den Gegebenheiten des Parks entsprechen. In würziger Kürze: Der Nutzer paßt sich dem Park an. Klingt gut. Voll grün! Aber wäre es umgekehrt nicht einfacher?

Johannes Touché

Nachtrag 1. Eine erste Ausweichfläche – allerdings keine private – steht jetzt im Süden des Tiergartens zur Verfügung. Am 21. Juni eröffnete Dubrau den Tilla-Durieux-Park direkt hinter dem Potsdamer Platz. Der Park ist als strenger „städtischer Garten" (Berliner Zeitung: „Nordseedeich") gestaltet und bietet Spielkindern viel Platz zum Herumtollen. Bereits am ersten Tag waren Rasenschäden zu beklagen.

Nachtrag 2. Auch der Mauerpark (vgl. scheinschlag 5/03) ist um eine Attraktion reicher. Am 26.Juni eröffnete das örtliche Quartiersmanagement (QM) einen aufwendig umzäunten „Hundespielplatz". „Ein schönerer Park für alle", jubelt das QM in einer Pressemitteilung und erinnert die Zweifler freundlich daran, daß das Hundekackenlassen jenseits des Zauns bis zu 75 Euro kosten kann. Die Ziele der 35000-Euro-Maßnahme sind hoch gesteckt: ein „gut erzogener, sozialisierter und ausgeglichener Hund mit einem ebenso gut geschulten und verantwortungsvollen Besitzer".

Nachtrag 3. Kurz nach Redaktionsschluß schrieb uns Matthias Reinhardt folgenden Leserbrief:

(Zu „Steh-Pisser und Mehrweg-Esser", scheinschlag 5/03) Liebe Redaktion, nun muß man sich schon im scheinschlag als eine Art provinzieller Spießer beschimpfen lassen, wenn man als Anwohner einen halbwegs sauberen und ruhigen Mauerpark haben will. Wenn so viele Leute in den Mauerpark kommen, kann es ja nicht so schlimm sein, schreiben Katrin Scharnweber und Johannes Touché. Da müsse man eben den Müll, den zertrampelten und von Grillkohle verbrannten Rasen hinnehmen, denn sowas wie Natur gibt es in einer Großstadt nunmal nicht. Was für ein Blödsinn. Da fehlt nur noch der Satz, man solle doch woanders hinziehen, wenn einem das nicht paßt. Die Leute kommen mangels Alternative in den Mauerpark, nicht weil er so schön ist. Und selbst wenn sehr viele Leute den Park benutzen, sind weitverstreuter Müll, großflächig versengtes Gras, Glasscherben und Hundescheiße überall noch längst nicht zwangsläufige Folgen. (...)

Nach Beiträgen zu Mauerpark, Hasenheide und Tiergarten endet unsere kleine Grünflächen-Serie mit einen Bericht über den Görlitzer Park.

 
 
 
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