Ausgabe 03 - 2000berliner stadtzeitung
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Mit Multikulti in den Hafen. Der Verein Aktion Courage eröffnet in Schöneberg ein Büro

Die Menschen drängen hinein in die Räume des Berliner Regionalbüros von "Aktion Courage": Heute wird es eröffnet. Man kennt sich, unterhält sich angeregt - die Erwartungen scheinen hoch zu sein.

Am Eingang begrüßt Dr. Hisham Hammad, ein, wie er sagt, "praktizierender Kieferorthopäde und gläubiger Muslim", die Gäste einzeln mit Handschlag. Er leitet als Mitglied des Vorstands von Aktion Courage das Projekt des Berliner Regionalbüros, mit dem Ziel, die Integration der Muslime zu fördern. Die über 80 Moscheevereine in Berlin sind dafür der Ansatzpunkt. "Moscheevereine", so Hammad, "sind - inbesondere für Jugendliche - nicht mehr nur Gebetshäuser. Hier wir Sport getrieben, Nachhilfeunterricht erteilt und vieles mehr. Moscheevereine sind fortbildend, pflegerisch und beratend tätig. Diese Arbeit werde aber auch von vielen anderen Vereinigungen geleistet, wie z.B. Kirchengemeinden. Parallele Strukturen seien so entstanden, die die Nichtintegration der Muslime stabilisiere. Dabei sei das Bedürfnis nach Information und Kontakt von beiden Seiten groß. "Zwei voneinander getrennte Welten", so Hammad, "will das Projekt der Aktion Courage mit einer Brücke verbinden". Möglichen Kleingeistern hält er entgegen: "In Palästina, wo ich herkomme, sagt man ,Nur wer träumt, ist Realist´".

Um den Träumen zumindest näher zu kommen, stehen Aktion Courage in Berlin insgesamt drei MitarbeiterInnen, deren Stellen vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordung und mit Spendenmitteln finanziert werden, zur Verfügung. In der Anfangsphase knüpfen sie vor allem Kontakte zu türkischen und arabischen Moscheevereinen und eben auch zu "deutschen" Vereinigungen, oder wie es auf Multikulti heißt, den Vereinen der Mehrheitsgesellschaft. Frau Nofal, eine der drei MitarbeiterInnen, hält es für wichtig, keinen der Vereine auf muslimischer Seite von Beginn an auszugrenzen. Extreme Gruppen stellen ihrer Erfahrung nach ein Randphänomen dar.

Gegründet wurde Aktion Courage, dessen Vorsitzende heute Brigitte Erler und der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sind, 1992 als "Antwort auf den gewalttätigen Rassismus von Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock". Heute ist der Verein mit seinen jetzt vier Regionalbüros und der Hauptgeschäftsstelle in Bonn im präventiven Bereichen tätig: Neben dem Berliner Projekt verleiht Aktion Courage u.a. den Titel "Schule ohne Rassismus" und führt Ausländer und Polizisten an einem Tisch zusammen.

Nach den Eröffnungsreden trägt schließlich ein Junge ein Lied vor: Guten Tag, Welcome, Bon Jour, Buon Giorno, Buenas Dias singt er in ein Mikrophon: Es ist die Geschichte von einem Kind, das in einem Boot um die Welt paddelt, Kinder aus vielen Ländern kennenlernt, sie in ihrer Sprache grüßt und zu sich einlädt in das Boot. Mit der Rückkehr in den heimatlichen Hafen endet das Lied, die Erwachsenen klatschen.

Nein, das Lied wird nicht als multikultureller Kitsch, als Ideologie entlarvt. Ganz angetan sind die Gäste von diesem Lied. Vielleicht, weil darin tiefe Wünsche formuliert werden. Es drängt sich das Bild auf, Aktion Courage sei der Lotse, der nun an Bord steigt, und den Dampfer der Heimatlosen sicher in den Hafen der Gesellschaft manövrieren soll. Liegt darin die Erwartung der vielen, die zur Eröffnung des Büros gekommen sind?

Und dann tragen die Gäste selbst dazu bei, daß ihre Erwartungen erfüllt werden: Im Hinterzimmer des Büros gründen einige Gästen einen Arbeitskreis von u.a. bosnischen, arabischen, persischen und türkischen Moscheevereinen, um den Austausch voranzutreiben. Und Aktion Courage soll die Moderation übernehmen.
Ulrich Leinz

Aktion Courage, Hohenfriedbergstraße 10a, 10829 Berlin
www.aktioncourage.org

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