Ausgabe 01 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Trotz alledem?

Olaf Staps´ Anschlagsdrohung sollte für die PDS Anlass zur Selbstreflexion sein

Am 9. Januar 2000 wurde die Gedenkveranstaltung für Liebknecht und Luxemburg vom Polizeipräsidenten verboten. Der Grund war die Attentatsankündigung von Olaf Staps: Er drohte, mit einer Maschinenpistole und Handgranaten einige derjenigen zu töten, die an der von der PDS durchgeführten Demonstration teilnehmen wollten. Die Polizei erhielt den Drohbrief am Donnerstag, den 6. Januar, ebenso der Tagesspiegel und der scheinschlag. An scheinschlag war eine Diskette mit fünf, teilweise umfangreichen Texten geschickt worden.

Am Freitag wurde die Drohung in den Medien bekannt gegeben und die Suche nach Staps intensiviert. Staps war schon im September untergetaucht und wurde seitdem polizeilich gesucht, weil er sich selbst der Brandstiftung an seinem letzten Wohnort in Friedrichshain, Grünberger Straße 52, bezichtigt hatte. Als bis Samstagabend Staps immer noch nicht gefasst war, wurde die Demonstration verboten. Die Polizei konnte in der Kürze der Zeit kein Sicherheitskonzept vorlegen. Man darf vermuten, dass dies genau so von Staps geplant war. Die Polizei hatte zuvor vergeblich versucht, die PDS zu einer Absage des Gedenkmarsches zu bewegen. Laut PDS ist der Drohbrief bei ihnen erst am Montag, den 10. Januar, aufgefunden worden.

Bedrohung real

Die Reaktion der PDS auf das Verbot ihrer Traditionsveranstaltung war zunächst gespalten. Die Landesvorsitzende Petra Pau akzeptierte das Verbot, kündigte aber an, die Veranstaltung am folgenden Sonnabend nachzuholen, damit die Politik "nicht erpressbar" wird. Andere PDS-Vertreter warfen Pau vor, gegen das Verbot keinen Widerspruch eingelegt zu haben. Sie sahen in der Drohung nur einen Anlass, um die linke Kundgebung zu verhindern. Es wurde gar angezweifelt, ob es die Bedrohung überhaupt gebe. Besonders Neues Deutschland und Junge Welt vermuteten staatliche Willkür. Auffällig war, dass immer dann, wenn der Drohbrief tatsächlich von den einzelnen gelesen wurde, niemand mehr einen Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit hatte. Die einzige Frage, die offen blieb, war, ob Staps sich tatsächlich eine Maschinenpistole und Handgranaten hatte besorgen können. Offensichtlich konnte diese Möglichkeit niemand aus-schließen.

Einige linke und autonome Gruppierungen wollten sich nicht vom Demonstrieren abhalten lassen und versammelten sich trotz des Verbots am Frankfurter Tor. Die Polizei führte ihren Auftrag aus, die Demonstranten auch gegen ihren Willen vor der Drohung zu schützen und ging rücksichtslos gegen sie vor.

"Trotz alledem"

In der folgenden Woche fand die PDS dann zu einer einheitlichen Linie: Die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration müsse auf jeden Fall am kommenden Sonnabend, den 15. Januar stattfinden. Das sinnige Motto lautete "Trotz alledem". Die Polizei sei nun in der Pflicht und müsse bis dahin ein Sicherheitskonzept entwickeln, das die Wahrnehmung des Demonstrationsrechts gewährleistet. Die PDS hatte die Rolle der Verfolgten angenommen und schob die Verantwortung der Polizei zu. Fatalerweise hatte der "normale" Kundgebungsteilnehmer überhaupt nicht die Möglichkeit, eine persönliche Einschätzung der Situation vorzunehmen. (Den Drohbrief zu veröffentlichen, hätte bedeutet, sich von Staps vorführen und erpressen zu lassen, ihm Öffentlichkeit zu gewähren und seine Anklagen gegenüber der PDS bekannt zu machen.) Er wurde in dem Glauben gelassen, man müsse auf die Straße gehen und beweisen, dass die "Linke" sich nicht einschüchtern lasse - diese sei schon immer kriminalisiert worden. Es blieb dem Polizeipräsidenten überlassen, immer wieder auf die reale Gefahr hinzuweisen. Einen umfassenden Schutz für alle Kundgebungsteilnehmer konnte er verständlicherweise nicht gewährleisten.

Am Samstag, den 15. Januar, fand die Kundgebungsveranstaltung unter allergrößten Sicherheitsvorkehrungen statt. Zum Glück, zum allergrößten Glück, wem auch immer es geschuldet ist, verlief sie friedlich.

Olaf Staps selbst hatte in seinem Drohbrief eine Variante der Kundgebungs versucht durchzusetzen:
"Ich kann den betreffenden Menschen nur empfehlen, beispielsweise am Jahrestag der Ermordung von Liebknecht/Luxemburg selbst, also am 15. 1. 2000, ohne die PDS auf den Friedrichsfelder Friedhof zu kommen. Allerdings nicht der PDS, ihre Schmierenshow vom 9. auf den 15. Januar zu verlegen: dann werde ich selbstverständlich meine Abrechnungsaktion auch vom 9. auf den 15. Januar verlegen, es sei denn, ich bin so zufrieden mit der bundesweiten medialen Darstellung der Gründe für die Verlegung und die Konsequenzen daraus (...), dass ich denke, diese Partei wird nun sowieso dahin wandern, wo sie hingehört, in den Orkus, und dann auf meine Aktion verzichte."

Eines haben Staps und die PDS gemeinsam erreicht: Der Polizeiapparat hat sich neu legitimiert und ist jetzt gerüstet und einsatzbereit.

Vorgeschichte ignoriert

Staps wird seit September polizeilich gesucht. Er wird beschuldigt, das Haus Grünberger Straße 52, in dem er der letzte verbliebene Bewohner war, angezündet zu haben. Staps hatte sich bereits schriftlich zu dieser Tat bekannt - er habe die Brandstiftung aus "Notwehr" heraus begangen. Nach mehrmaligen Auseinandersetzungen mit seinem Vermieter, bei denen Staps sich konsequent wehrte, konnte dieser ab dem Zeitpunkt die Räumung betreiben, als Staps in seinen Reaktionen die Nerven verlor und das Gesetz übertrat, indem er die Heizungsrohre aus seiner Wohnung wieder entfernte. (Allerdings war, laut Staps, zuvor vom Vermieter in seinen Keller eingebrochen worden, um dort Installationen durchzuführen, die Staps untersagt hatte.) Staps kam der Räumung zuvor, indem er Feuer legte und daraufhin untertauchte.

Diese Vorgeschichte wurde von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert; Staps sprach von einem Orwellschen Schweigen. Lediglich der scheinschlag druckte Staps´ Darstellung der Vorgänge ab (scheinschlag 11/99). Indem Staps durch die Attentatsankündigung eine so massive Drohung stellte, ist anzunehmen, dass er dadurch die Öffentlichkeit zwingen wollte, auf die gesellschaftliche Verantwortung für seinen Fall aufmerksam zu werden. Die "Abrechnung" richtet sich gegen die PDS - nachdem er seinen ehemaligen Vermieter nur als Nutznießer der gegebenen Verhältnisse einstufte -, weil die PDS ihren hehren Ansprüchen einer sozialen Stadtentwicklung seiner Meinung nach nicht gerecht wird.

In mehreren Schreiben beschuldigte er die PDS Friedrichshain, namentlich die von ihr gestellte Baustadträtin Martina Albinus-Kloss, ihn nicht unterstützt zu haben. Staps: "Die PDS-GenossInnen äußern gelegentlich ihre angebliche Betrübnis über angeblich kaum vorhandenen sozialen Widerstand von unten. Was von diesem Gefasel zu halten ist, haben sie auch an mir bewiesen, indem mir vom von der PDS geführten Baustadtratsamt Berlin-Friedrichshain (...) mit ebenso zynischem wie dummdreist-verlogenem Hohn mitgeteilt wurde, dass ich quasi selbst daran schuld sei, dass ich nun von Obdachlosigkeit bedroht sei, nämlich wegen von mir selbst herbeigeführter Eskalation der Auseinandersetzungen mit dem vorgeblichen Eigentümer(...)."

Dass die PDS nun auch von links angegriffen wird, zeigt das Dilemma der Partei: Einerseits pflegt sie eine radikal-oppositionelle und systemkritische Haltung, andererseits ist sie in die machtpolitischen Verhältnisse eingebunden und verwickelt.

Eine Frage bleibt übrig: Welch hohe Meinung muss Staps von der Gesellschaft haben, dass er sogar bereit ist, sein eigenes Leben dafür herzugeben, um sie aufzuklären. Und ganz persönlich möchten wir ihm sagen: Tote sind manchmal die Guten, aber sie entmutigen die anderen, weil sie beweisen, dass sowieso alles zwecklos ist.
Sabine Schuster/Jens Sethmann

Da zur genaueren Beurteilung (auch scheinschlag will sich nicht anmaßen, die "richtige" Beurteilung leisten zu können) wesentlich umfangreicheres Material vorliegt, prüfen wir, ob es rechtlich möglich ist, die Texte von Olaf Staps im Internet zu veröffentlichen. Die Darstellung Staps´ zur Brandstiftung ist auf diesem Server in Ausgabe 11/99 zu finden. Bitte klicken Sie hier.

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