Ausgabe 09 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Der Friedrichswerder wird vollgeklotzt

Das Planwerk Innenstadt trifft auf die Realität

Kaum vom Senat beschlossen, ist das Planwerk Innenstadt an einer prominenten Stelle schon wieder Makulatur. Am nördlichen Ende des Grünzuges Friedrichswerder, wo das Planwerk eine kleinparzellige Wohnbebauung vorsah, plant der Bund zwei äußerst dichte Büroblöcke zur Erweiterung des benachbarten Außenministeriums.

Im Tausch gegen das Grundstück der alten Bauakademie, dessen potemkinsche Fassadenecke gerade hochgezogen wird, erhielt der Bund vom Senat das Recht, die Fläche auf dem Friedrichswerder weit höher auszunutzen als das Planwerk es zuließe: Statt 20 bis 25 Millionen Mark wurde der Oberfinanzdirektion des Bundes (OFD) ein Ertragswert von 84,1 Millionen Mark zugesichert. Das entspräche einer Geschossflächenzahl von 6,0, das heißt, rechnerisch dürfte die gesamte Grundstücksfläche mit sechs Geschossen überbaut werden.

Wie von vielen Kritikern vorhergesagt, scheitert das Planwerk an den fiskalpolitischen Realitäten: Mit warmen Worten und bunten Plänen lässt sich kein Bauherr davon überzeugen, kleine Wohnhäuser statt großer Büroblöcke zu bauen und damit auf einen Teil des Profits zu verzichten. Auch der Bund verhält sich nicht anders, und der Senat selbst unterstützt ihn dabei noch. Der Initiator des Planwerks, Hans Stimmann, bedauert, dass stadtpolitische Ziele hinter finanzpolitischen zurückgestellt werden. Das Signal, das in der Öffentlichkeit vom Planwerk ankam, war allein, dass innerstädtische Flächen zur Bebauung freigegeben werden. Stimmann reichte den Baulöwen den kleinen Finger und beklagt nun, dass diese umstandslos die ganze Hand greifen.

"Es spitzt sich hier immer weiter zu", sagt Joachim Eichstädt, der in der Stadtteilvertretung Spreeinsel seit sechs Jahren für den Erhalt des Grünzuges zwischen Friedrichwerderscher Kirche und Spittelmarkt kämpft. Mit einem behutsamen Weiterbauen an der Werderstraße und der Oberwallstraße hatte man sich schon abgefunden, doch am Ende der Planwerksdiskussion blieb nur noch ein bisschen Restgrünfläche im Bereich des heutigen Spielplatzes übrig. Im Stile der Salamitaktik wird die Grünanlage Stück für Stück "amputiert", so Joachim Eichstädt: "Vandalismus gegen Grün muss bekämpft, nicht ,von Staats wegen´ organisiert werden. Der Bau-Boom nimmt keine Rücksicht auf Vegetationsflächen, sondern visiert gerade diese skrupellos an. Darum ist die lenkende, nicht zerstörende Hand des Senats gefragt, gepaart mit demokratischer Planungskultur."

An letzterer scheint es besonders zu mangeln. Von Senatsseite wurden nicht nur die einhelligen Forderungen der Anwohner nach Erhalt des Grünzuges konsequent ignoriert, sondern auch ein Bebauungsplan, mit dem der Bezirk Mitte die Freifläche sichern wollte, abgeblockt. Der langjährige Aktivist Eichstädt ist überzeugt, dass die Bürgerbeteiligung "nur noch eine Alibiveranstaltung" ist, und wird bei der Neuwahl der Stadtteilvertretung im Oktober nicht wieder kandidieren.

Glaubt man der OFD, ist mit einem Erweiterungsbau des Außenministeriums in den nächsten zehn Jahren nicht zu rechnen. Daher wird das Filetgrundstück zunächst einmal als Parkplatz hergerichtet.
Jens Sethmann

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  Ausgabe 09 - 1999