Ausgabe 09 - 1999berliner stadtzeitung
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DDR und DEFA - kein Nachruf, aber viele Filme

Zum 10. Todestag - es lebe die DDR! So ist das mit den Verstorbenen. Jahrestage fördern die Erinnerung, meist eine gefilterte. Eigentlich hatte er viele gute Seiten, der Tote und die Lücke, die er hinterließ, konnte kein anderer so recht ausfüllen. Angesichts der inflationär vielen, kuriosen Ausstellungen und ultimativen Ostparties scheint die Verklärung grenzenlos. Doch halt. "In" sind ja nur die Dekors, die Kleidertruhe des Toten, seine ideellen Hinterlassenschaften dagegen interessieren nicht. Diesen bitteren Beigeschmack tragen viele der Events mit sich.

Eine kleine Ausnahme stellt die Filmreihe des Acud-Kinos "Letztes aus der DDR?" seit dem 2. September dar. Die DEFA feierte ihren (verhinderten) 50. schon vor drei Jahren. Der Bilderfabrik der DDR gebührt dennoch Würdigung. Wie jeder volkseigene Betrieb fertigte die DEFA Massenware, propagandistische Fertigteilerzeugnisse in ihrem Falle. Darüber hinaus bot das Produktionssystem aber auch Lücken und es gab immer Filmleute, die sie nutzten. Geübt im Nichtaussprechen von Wahrheiten wurde Kritik auf subtile Weise eingebaut, die der Zuschauer auf die gleiche subtile Weise zwischen den Bildern entdeckte. Nur, wer sich innerhalb der Grenzen des Vexierbildes bewegte, konnte weitermachen.

Egon Günther konnte nach "Die Schlüssel" (1974) zwar noch historische Stoffe realisieren, arbeitete dann aber hauptsächlich in der BRD. Günther thematisiert anhand eines im Urlaub nach Krakow reisenden Paares zwischenmenschliche Beziehungen in einer eigenen ästhetischen Sprache (am 25.9. in Anwesenheit von Egon Günther und Jaecki Schwarz).

In Michael Kanns "Die Entfernung zwischen dir und mir und ihr" (1988) kommt die ganze Perspektivlosigkeit einer Generation zum Ausdruck. Angesiedelt in der Berliner Rockmusikszene, bietet der Film ein authentisches Bild der in Agonie verharrenden DDR (am 9.10. in Anwesenheit von Michael Kann, Schauspielerin Silvia Rieger und Autor Stefan Kolditz).

Schon im vereinigten Deutschland wurden die Filme des letzten Blocks ab dem 14. Oktober produziert. Darunter das kabarettistische Kleinod des Trios Wenzel-Mensching-Foth "Letztes aus der Da Da eR" (zu Gast am 14.10.: Regisseur Jörg Foth). Ein Theaterensemble mitten in den Wendeherbstwirren ist der geschlossene Protagonist in Andreas Dresens ("Nachtgestalten") Debütfilm "Stilles Land" von 1992. Man will nicht "Warten auf Godot" (spielen), sondern etwas tun, ohne recht zu wissen, wohin es gehen soll. Ein sehr poetischer und wahrhaftiger Film (am 18.10. voraussichtlich mit Andreas Dresen).

Auch zwei Dokfilme stehen auf dem Programm: Roland Steiners Film über die Verweigerung einer jungen Generation "Unsere Kinder" (13. und 14.10.) und Helke Misselwitz´ Porträt eines Punkmusikers vor und nach der Wende "Sperrmüll" (17. und 19.10.).

In der Auswahl der Filme konzentrierten sich die Programmmacher vor allem auf Filme, die den Alltag in der DDR dokumentieren und zwischenmenschliche Beziehungen im Kontext der gesellschaftlichen Wirklichkeit thematisieren.
bwh

Infos zum noch weitaus umfangreicheren Programm: fon: 44 35 94 98

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  Ausgabe 09 - 1999