Kollwitz for ever?

Während der letzten heißen Sommertage hat sich am Kollwitzplatz die bislang völlig unbekannte Initiative "Schilda-Guerilla" mit einem überraschenden Vorschlag hervorgewagt: Sie will den Kollwitzplatz offiziell in "Kolle" umbenennen. Zunächst soll damit dem schon längst üblichen Sprachgebrauch Rechnung getragen werden (man verweist hier auf die analoge Praxis bei der Rechtschreibreform), doch vor allem liegt den Initiatoren am Herzen, auf die veränderte Lebenspraxis der Anwohner zu reagieren. "Kolle" sei nämlich nicht mehr als adäquates Kürzel für Käthe Kollwitz zu verstehen, deren soziales Engagement an diesem Ort völlig in Vergessenheit geraten sei, sondern erinnere ab sofort an den durch Sexualaufklärungsfilme bekannt gewordenen Oswalt Kolle. Die "Jeunesse dorée" am heutigen "Kolle" stehe ganz in seiner Tradition, habe den Kolle´schen Gedanken lediglich modifiziert und den Bedingungen des kommenden Jahrtausends angepaßt; sie gebe sich ganz unvoreingenommen den Bereicherungen ihres persönlichen Liebeslebens hin und bilde damit ein würdiges Umfeld für eine Ehrung des aufklärerischen Sexpapstes.

Die Initiatoren selbst sehen sich in der Tradition der Nachwende-Umbenennungseuphorie, wenn auch ebenfalls modifiziert. Statt mißliebige DDR-Namen von den Straßenschildern zu tilgen, bewahren sie verstorbene Namensgeber vor den unpassenden Orten.

Und ihr Tatendrang ist ungebremst. Ob die tierischen Straßenbezeichnungen wie "Adlerweg" ungeschoren davonkommen, bleibt abzuwarten. Zumindest ist diese Vogelart eher selten in Berlin anzutreffen. Die neu errichtete "Joseph-von-Eichendorff-Gasse" am Potsdamer Platz, deren Straßenschild beinah länger ist, als die dazugehörige Straße, wäre fraglos ein ideales Objekt. Und die Puristen und sonstige Fanatiker halten ihre ultimative Lösung schon parat: die konsequente Durchnummerierung aller Straßen. Kollwitz hieße dann 666.
R.L.