Ausgabe 08 - 1999berliner stadtzeitung
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"Auf jeden Fall Konsens"

Interview mit Frank Bertermann, Betrofenenvertretung (BV) Spandauer Vorstadt

Erfüllt das vorliegende Soziale Konzept die Erwartungen der BV, und wo stößt es an Grenzen?

Der Hintergrund des Konzepts ist eine umfassende Betrachtungsweise - nicht, wie der Bezirk ursprünglich beabsichtigte, nur die Sanierungsdurchführung. Das Leben in einer Stadt ist mehr als nur die Instandsetzung der Häuser. Zu sozialen Zusammenhängen gehören auch das Wohnumfeld, Gewerbe, Verkehr. Wenn man den Anspruch eines Sozialen Konzeptes hat, muß das auch dort behandelt werden. Diesem Standpunkt hat sich das Bezirksamt dann auch angeschlossen, und deshalb ist es ein ziemlich umfassendes Werk geworden.
Ein anderer Hintergrund ist das Defizit, daß bislang jeder Bezirksamtsbereich für sich arbeitet und es an der Einbeziehung anderer Amtsbereiche oft hapert. Mit dem Konzept ist die Verwaltung angehalten, übergreifend zu arbeiten.
Das Konzept ist immer nur so gut, wie das Bezirksamt es umsetzt und wie auch die Betroffenenvertretung auf die Einhaltung dieses Konzeptes pocht.

Was haben Mieter konkret vom Sozialen Konzept?

Es räumt keine Individualrechte ein. Man kann damit keinen Vermieter zwingen, mit den Mietern anders umzugehen. Man kann mit so einem Konzept auch nicht die Republik ändern: Eigentumsverhältnisse bleiben etc. Aber man kann Mietobergrenzen für die einzelnen Mieter ableiten, man kann Vermieter dazu anhalten, ordentliche Modernisierungserklärungen abzugeben.

Bietet das Konzept neue Handlungsmöglichkeiten?

Eigentlich nicht. Es schreibt bestehende fest und zeigt auf, welche Probleme es gibt und wie die Lösung aussehen müßte. Außerdem werden offene Probleme benannt, die bisher noch nicht gelöst wurden und wo man in der nächsten Zeit tätig werden muß. Das Konzept ist eher eine Zusammenfassung und zeigt eine Richtung: Man kann daran die Vorstellungen des Bezirks ablesen, was in den nächsten Jahren vor sich gehen soll, daß der Bezirk beispielsweise plant, die Parkraumbewirtschaftung einzuführen, daß die Umwandlung von Wohn- und Gewerberaum nur in ganz wenigen Ausnahmefällen genehmigt werden soll. Man hätte ja ins Konzept auch reinschreiben können: Wir wollen mehr Besserverdienende, uns ist nicht so daran gelegen, daß die Leute hier wohnen bleiben, sondern es reicht, wenn die Häuser saniert werden, dann sind uns auch die Mieten egal.

Ist es nicht ein Problem, daß vieles vorerst nur Absichtsbekundung sein kann?

Natürlich. Es gibt zum einen finanzielle Grenzen. Wenn es unter den derzeitigen Haushaltsbedingungen nicht möglich ist, Grünflächen anzukaufen, obwohl im Konzept steht, daß wir sie brauchen, dann reicht die Willensbekundung allein nicht, wenn man nicht das Geld hat. Und wenn man keine Möglichkeit hat, die Parkraumbewirtschaftung umzusetzen, ist das erstmal auch eine Willensbekundung. Aber im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsregelung zwischen Senat und Bezirk kriegt der Bezirk ja auch mehr Möglichkeiten, und da ist es schon wichtig, daß der Bezirk sich zu etwas bekennt. Es macht einen Unterschied, ob er sagt, uns ist es vollkommen egal, wenn zum Beispiel Kneipen mit 300 oder 500 Plätzen aufmachen, wir lassen dem Markt freien Lauf. Oder ob der Bezirk so handelt wie hier geschehen und sagt: Irgendwann reicht es, wir müssen auch sichern, daß die Leute nicht nur in die Kneipe gehen können, sondern auch ein Brot kaufen können.

Seid ihr als BV zufrieden?

Kompromisse muß man immer eingehen. Im Gegensatz zu dem, was ursprünglich angedacht war, ist es weitaus besser geworden.
Wir hatten uns allerdings vorgestellt, daß man noch viel genauer schreibt, was man konkret machen will, damit sich jeder Mieter darunter etwas vorstellen kann. Wir hätten es lieber gesehen, wenn da gestanden hätte, der Bezirk verpflichtet sich, im nächsten Jahr die Parkraumbewirtschaftung einzuführen. Aber das würde Erwartungen wecken, die einfach nicht einzuhalten sind.
Das Konzept, das vorliegt, ist auf jeden Fall Konsens. Besser kann es immer sein. Es hätte aber auch viel schlechter sein können.
Interview: Ulrike Steglich

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