Ausgabe 08 - 1999berliner stadtzeitung
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Soziales Konzept: ein Zwischenstand

Intern nennt es sich "SoKo 99", gemeint ist aber keine Sonderkommission gegen das Verbrechen in der Spandauer Vorstadt, gemeint ist vielmehr die Fortschreibung des "Sozialen Konzeptes" für die Sanierungsgebiete in Mitte. In diesem vom Bezirksamt und BVV zu beschließenden Papier sind sämtliche für die konkrete Sanierungsdurchführung entwickelte Regularien zusammengefaßt und Problembereiche benannt. Es ist so wichtig, daß die Sanierungsbeilage ihm eine eigene Ausgabe widmet. Bewohnern, Bauherren und Eigentümern in den Sanierungsgebieten soll so ein Überblick über die Verfahren in den Gebieten gegeben werden.

Die Festsetzung der Spandauer und der Rosenthaler Vorstadt zu Sanierungsgebieten gibt dem Bezirksamt Mitte weitreichende Vollmachten: ansonsten genehmigungsfreie Baumaßnahmen brauchen hier eine Genehmigung, genauso wie Gewerbemietverträge, mit Regelwerken zur Mietobergrenze kann der Bezirk Einfluß auf die Mietentwicklung im Gebiet nehmen, aus den knappen Öffentlichen Mitteln werden Infrastruktureinrichtungen in den Sanierungsgebieten bevorzugt finanziert, etc..

Um so wichtiger ist es daher, die Ziele, die in den Sanierungsgebieten erreicht werden sollen, klar zu definieren und mit der Zeit zu konkretisieren und fortzuschreiben. Die Eingriffsmöglichkeiten der Verwaltung in den Immobilien- und Wohnungsmarkt werden auf diese Weise konkreten und nachvollziehbaren Regeln untergeordnet. Eine solche Konkretisierung ist auch die "Fortschreibung des sozialen Konzeptes" für die beiden Sanierungsgebiete, die die Sanierungsverwaltungsstelle des Bezirkes erarbeitet, mit den Verfahrensbeteiligten - Betroffenenvertretung, Sanierungsbeirat, Senat - abgestimmt hat, und die jetzt der BVV und dem Bezirksamt zur Beschlußfassung vorliegt.

Sanierungsziele

Die gebietsübergreifenden Ziele der Sanierung sind in den "Leitsätzen zur Stadterneuerung" festgeschrieben, die der Berliner Senat 1993 beschlossen hat. Als Ziel der baulichen Erneuerung ist hier beispielsweise "der Erhalt der bestehenden städtebaulichen Funktion der Gebiete" genannt, die behutsam aus dem Bestand zu entwickeln seien. Weitere Ziele sind die Sicherung und Weiterentwicklung des vorhandenen Gewerbes sowie die Sicherung öffentlicher Standorte und Einrichtungen durch "vorhaltenden Grunderwerb" und durch Bebauungspläne.

Auch der Schutz der Mieter in den Sanierungsgebieten ist ausdrücklich vermerkt: "Die Erneuerung ist an den Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren. Die Erneuerungsmaßnahmen werden sozialverträglich gestaltet." Vermieden werden soll die Verdrängung insbesondere einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen, die Destabilisierung der Gebietsbevölkerung sowie individuelle Härten insbesondere für anpassungsunfähige Haushalte. "Die Erneuerungsmaßnahmen sollen es den Bewohnern grundsätzlich ermöglichen, im Gebiet zu verbleiben."

Um diese Ziele zu erreichen, sind die rechtlichen Möglichkeiten der planungs-, bauordnungs-, wohnungsaufsichts- und vermögensrechtlichen Instrumente auszuschöpfen. Dabei wird auch die freifinanzierte Modernisierung nicht ausgenommen - hier sollen Vereinbarungen mit den Eigentümern angestrebt werden, "die geeignet sind, einerseits den sozialen Zielen der Sanierung zu entsprechen und andererseits restriktive Maßnahemen (Genehmigungsvorbehalte, Zurückstellungen von Baugesuchen, städtebauliche Gebote) zu vermeiden." Die Erneuerung der Gebäude und Wohnungen in den Sanierungsgebieten wird aber auch durch öffentliche Fördermittel unterstützt, sie muß sogar unterstützt werden, wenn die notwendigen Moderninisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht aus den Mieterträgen zu finanzieren sind.

Konkretisierungen

Diese ursprünglich recht allgemein gehaltenen Ziele haben sich natürlich mit der Zeit und fortschreitender Arbeit konkretisiert. In Teil A der "Fortschreibung des Sozialen Konzeptes" sind diese Entwicklungen festgehalten. Dabei sind nicht nur zahlreiche Bebauungsplanentwürfe entstanden, sondern auch Regelwerke wie die Gestaltungssatzung in der Spandauer Vorstadt, Regelungen zum Dachgeschoßausbau oder Orientierungsrahmen für die Gewerbemieten. Damit wurden wichtige Entscheidungsgrundlagen für die Verwaltung erarbeitet, die auch für die Eigentümer transparent und nachvollziehbar sind. So gelingt es einerseits leichter, die verschiedenen Abteilungen des Bezirksamtes miteinander zu koordinieren, andererseits gestaltet sich die Durchsetzung der konkreten Vorhaben leichter, wenn die betroffenen Grundstückseigentümer schnell und umfassend informiert werden können.

Der eigentliche Kernbereich des Sozialen Konzeptes ist jedoch in Teil B der Fortschreibung enthalten. Hier sind die Instrumente enthalten, die zum Schutz der Mieter vor Verdrängung entwickelt wurden - von der Mietobergrenzen-Regel bis zum Sozialplanverfahren der Mieterberatung. Außerdem sind hier weitere Grundsätze aufgeführt, die die Genehmigung von Bauvorhaben betreffen - etwa zur Umnutzung von Wohnraum, der nur dann zulässig ist, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht, zur Schaffung familienrechten Wohnraums in Neubauten oder zur Schaffung behindertengerechter Wohn- und Gewerberäume.

Problemlagen

Diese Instrumente bedürfen allerdings weiterer Entwicklung. Das ist im letzten Teil der Fortschreibung festgehalten. So hat die verstärkte Tendenz zur Bildung von Wohneigentum negative Auswirkungen auf das Sanierungsgebiet. Das führt auf der einen Seite zur Verdrängung der Mieter im Vorfeld der Sanierungsmaßnahme, da leere Eigentumswohnungen auf dem Markt besser zur veräußern sind als vermietete, zum anderen scheuen sich viele Mieter in Eigentumswohnungen einzuziehen, da sie Eigenbedarfsklagen der Eigentümer fürchten. Es dürfte allerdings schwierig werden, hier im Einklang mit dem Senat das Soziale Konzept zu erweitern - die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist derzeit ein erklärtes Ziel der Landesregierung, die sogar enorme finanzielle Anstrengungen unternimmt, um dies zu fördern.

Weitere Probleme sind mit dem derzeit stattfindenden Bevölkerungsrückgang in Mitte verbunden. Prognosen über die langfristige Bevölkerungsentwicklung - besonders der Kinder und Jugendlichen - sind schwer, die langfristige Versorgung der Gebiete mit Infrastruktureinrichtungen wie Schulen oder Kitas muß aber gewährleistet werden. Hier ist eine Arbeitsgruppe etabliert worden, die auf Grundlage sorgfältiger Analysen eine ressortübergreifende Prioritätenliste für öffentliche Investitionen erarbeiten soll.

Schließlich droht die Erneuerung von kommunalen Altbauten und dem öffentliche Raum hinter die Erneuerung der privaten Gebäude zurückzufallen. Weitere ungelöste Probleme sind u.a. ein Verkehrskonzept vor allem zur Spandauer Vorstadt, in dem Aussagen über strittige Punkte wie Parkraumbewirtschaftung, Verkehrsberuhigung und Tiefgaragenstellplätze getroffen werden, sowie die Erneuerung von unsanierten Plattenbauten in beiden Sanierungsgebieten.

Die Konkretisierung der Sanierungsziele ist also noch nicht abgeschlossen, die "Fortschreibung des Sozialen Konzeptes" markiert demnach einen Zwischenstand.
Christof Schaffelder

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