Ausgabe 06 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

"Die Möglichkeit schaffen, etwas zu machen"

Das "Klik" in der Spandauer Vorstadt ist eine wichtige Anlaufstelle für Straßenkids. Neben den Betreuungs- und Beratungsaufgaben engagiert sich das Projekt zunehmend in der Kulturarbeit

Der Laden an der Ecke Kleine Hamburger Straße/Torstraße ist ein Kontrast zu der in der Spandauer Vorstadt in Mitte vorherrschenden Mischung aus schicken Galerien oder Cafés. Statt edel plazierter Kunstexponate sind in den großen Fenstern T-Shirts mit grellen Siebdruckmotiven zu sehen. In vorderen Raum hängt eine Gruppe Punkkids vor einem Fernseher, während Hunde wild im Raum herumtoben. Das Klik, ein Projekt für Straßenkids, hat in diesen Räumen Quartier bezogen und bietet hier für obdachlose Kinder und Jugendliche eine Anlaufstelle. Angeboten wird vieles: von der Möglichkeit, im Laden zu duschen, etwas zu essen, Wäsche zu waschen oder sich einfach nur auszuruhen, über Beratung in Krisensituationen bis hin zu kreativer Tätigkeit. Die Mitarbeiter des Ladens sind auch als Streetworker tätig, organisieren ärztliche Versorgung für die Kids und vermitteln den Jugendlichen weitere Angebote von anderen Projekten oder Ämtern.

Entstanden ist das Klik 1994 als ein Projekt von Sozialpädagogikstudenten der Katholischen Fachhochschule. Relativ schnell konnte damals eine Senatsfinanzierung für drei feste Stellen gefunden werden. "Die Arbeitsschwerpunkte hier im Laden haben sich seit dieser Zeit ziemlich geändert", erzählt Pia, eine der drei MitarbeiterInnen. "Damals gab es noch viele besetzte Häuser, in denen die Kids unterkamen." Auch hätte es viel mehr Jugendliche gegeben, die aus Heimen oder von Zuhause abhauten. Viele von ihnen sind inzwischen besser versorgt. "Das Netzwerk wurde ausgebaut, und vieles, was vorher wir vom Klik anboten, übernehmen nun andere Leute. Wir haben nunmehr eine Vermittlerfunktion", ergänzt Beat, der ebenfalls seit längerer Zeit im Laden mitarbeitet und dem vor allem der kreative Bereich am Herzen liegt: "Die Freizeitbeschäftigung nimmt bei uns immer mehr Raum ein. In der Anfangszeit gab es einfach mehr Möglichkeiten, in den besetzten Häusern etwas zu machen. Nach den Räumungen gab es dann einen großen Absturz, die zunehmende Vereinzelung der Leute führte dazu, daß die Drogenprobleme zunahmen, viele gingen daran kaputt." Beat initiierte verschiedenste Dinge: Es gab Theater und Musikprojekte, ein Film wurde gedreht. Was sich letztlich durchsetzte, war die Siebdruckwerkstatt.

Hier kann jeder Basiskenntnisse des Siebdruckens erlernen und anwenden. Die Resonanz ist groß: angefangen von Leuten, die auf einer künstlerischen Ebene experimentieren wollen, bis hin zu Menschen aus der Graffiti- und Hiphop-Szene oder jene, die politische Statements auf T-Shirts drucken wollen. In der Werkstatt sind immer viele Leute geschäftig am Werkeln. "Es sind da mittlerweile viele Leute dabei, die jetzt auch aus dieser Pubertäts-/Partyphase heraus sind und nun etwas Kreatives machen wollen", meint Beat. Zwei Austellungen wurden schon organisiert. Die dritte wird unter dem Namen "Flow 99" im Juni stattfinden.

Diese Austellungen sollen zum einen dem Projekt zu mehr Öffentlichkeit verhelfen, zum anderen über den Verkauf längerfristig eine weitere Finanzquelle für den Laden erschließen. Die Finanzierung des Ladens und der Stellen ist zwar momentan abgesichert, aber die Werkstatt muß sich hauptsächlich über Spenden finanzieren. Aber die Gesamtfinanzierung könnte in Zukunft in Frage gestellt werden. Pia: "Das Jugendbüro, der Träger des Ladens, ist ein kleiner Verein, aber die Gefahr besteht immer, daß ein großer Träger unsere Angebote billiger anbietet. Die Tendenz in diesem Bereich geht immer mehr zum Konzern."

Wenn ein anderer Träger das Klik ersetzen würde, wäre die jahrelange Arbeit, mit der die Mitarbeiter eine Vertrauensbasis in der Szene aufgebaut haben, umsonst gewesen. "Anfangs waren wir mehr so eine Art Service- und Dienstleistungsstelle für Straßenkids, mittlerweile haben sich daraus viele langjährige Beziehungen und ein Netzwerk von Kontakten entwickelt. Wir müssen uns jetzt einfach mehr mit den Problemen der Leute auseinandersetzen. Das ist zwar ziemlich stressig, aber letztendlich befriedigender", betont Beat. Und fügt nicht ohne Stolz hinzu: "Es sind Leute verschiedenster Nationalitäten und mit verschiedenstem kulturellen Background hier, und nach zeitweiligen Schwierigkeiten kommen inzwischen alle halbwegs miteinander klar und machen gemeinsam etwas." Und: "Es ist auch gut, daß es mit uns hier in diesem Kiez noch ein Kontrastprogramm zu den ganzen Yuppiegalerien gibt."

Michael Philips

Ausstellungseröffnung "Flow 99", 18.6., 20 Uhr, "Klik", Kleine Hamburger Str./Ecke Torstraße.

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 06 - 1999