Ausgabe 06 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Städtische Kritik in einer kritischen Phase

Drei Bücher zum Thema Stadt

Die Fortsetzung der Innenstadtaktionstage mit den Mitteln einer Ausstellung war - nicht wegen personeller Überschneidungen - eine der ersten Charakterisierungen von "Baustop.randstadt,-". Die Innenstadtaktion ist in Berlin eingeschlafen, doch "Baustop.randstadt,-" fand nun die Fortsetzung der Ausstellung mit den Mitteln des Buches: "Aggressives, nicht-akkumulatives, städtisches Handeln auf knapp 300 Seiten" heißt der etwas sperrige Untertitel des schlicht "#1" genannten Bandes. Im Spätsommer letzten Jahres wurde "Baustop" in der NGBK gezeigt. Die argumentative Ausstellung zur sozialen Stadtentwicklung setzte sich mit den gesellschaftlichen und räumlichen Veränderungen in Berlin auseinander (scheinschlag 17/98). Soziale Probleme und Konflikte, die Privatisierung, Konsumwahn, Sicherheitsmanie und Abwicklung hervorrufen, werden in der offiziellen Repräsentation des "neuen" Berlins ausgeblendet und an den Rand gedrängt. "Baustop" zielte auf diese blinden Flecken und zeigte die Konfliktlinien auf. Weil die Ausstellung mit ihren 50 Stellwänden von etwa 20 Beteiligten aus verschiedensten Ecken konzipiert worden war, wirkte sie sehr vielfältig und abwechslungsreich. Zusammengedampft auf 288 Buchseiten - einiges mußte weggelassen werden, vieles konnte nur angeschnitten werden - wirkt die Darstellung hin und wieder reichlich konfus. Das Buch ist aber weniger als Ausstellungskatalog gedacht, sondern mehr als ein Reader, der auch ein rückblickendes Auswertungsgespräch über die Wirkung von "Baustop" dokumentiert. Jochen Becker, Beteiligter sowohl an der Innenstadtaktion als auch an der Ausstellung, denkt bereits über andere Aktionsformen für das Thema Stadt nach, z.B. einen Kongreß.

Im Rahmen von "Baustop" war eine Diskussionsveranstaltung mit einigen Autoren des Buches "Umkämpfte Räume - Städte und Linke" geplant, mußte aber ausfallen. Der von einem nicht näher bezeichneten "Stadtrat" herausgegebene Band versammelt 18 Beiträge zu aktuellen Stadtthemn aus ausgesprochen linker Sicht: die feministische Stadt, repressive Drogenpolitik, Raumaneignung, Widerstand gegen die EXPO 2000, Schwierigkeiten der Betroffenenmobilisierung, Festivalisierung, revanchistische Sicherheitspolitik,... - gesamtgesellschaftliche Konfliktfelder, die in großen Städten konzentriert auftreten. Örtlich liegt der Schwerpunkt auf den Metropolen Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main, also in Städten, in denen die wie auch immer definierte Linke noch in einigen wenigen Stadtvierteln wie SO36 oder dem Hamburger Schanzenviertel so etwas wie eine kulturelle Vorherrschaft hat.

"Umkämpfte Räume" beinhaltet auch ein Interview mit Neil Smith, einem der deutlichsten Kritiker der New Yorker "Null-Toleranz"-Linie. Mit dieser rigiden Polizeistrategie, die überall außerhalb New Yorks als Erfolg verkauft wird, setzt sich das Buch "Die Null-Lösung" auseinander. Die Autoren kommen aus dem Umfeld der Fachzeitschrift "Neue Kriminalpolitik" und fragen im Untertitel, ob mit der Hochkonjunktur von "Zero Tolerance" das Ende der urbanen Toleranz eingeläutet wird. Der New Yorker Polizeichef William Bratton rief den "Krieg gegen das Verbrechen" aus und ließ mit brutaler Härte gegen Kleinkriminelle, Schwarzfahrer und Bettler vorgehen. Die Kriminalitätsrate sank tatsächlich, doch das "Wunder von New York" hat auch eine verheerende Kehrseite: Kürzlich gestand erstmals ein Polizist, einen haitianischen Einwanderer schwer mißhandelt zu haben - eine Ohrfeige für den saubermännischen Bürgermeister Giuliani. "Die Null-Lösung" beschreibt den kriminalpolitischen Hintergrund und die soziale Situation in New York und analysiert die Folgen. Das Fazit: Brattons Ordnungs- und Sicherheitspolitik kann kein Vorbild für europäische Städte sein. Notwendig ist eine Polizeireform, die nicht auf Einsperrung und Aussonderung setzt.

js

AG Baustop.randstadt,-: #1, b_books, Berlin 1999, 288 Seiten, 29 DM
Stadtrat (Hrsg.): Umkämpfte Räume - Städte und Linke, Verlag Libertäre Assoziation / Schwarze Risse / Rote Straße, Hamburg/Berlin/Göttingen 1998, 240 Seiten, 28 DM
Helmut Ortner, Arno Pilgram, Heinz Steinert (Hrsg.): Die Null-Lösung - Zero-Tolerance-Politik in New York. Das Ende der urbanen Toleranz?, Nomos, Baden-Baden 1998, 262 Seiten, 29,80 DM

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