Ausgabe 06 - 1999berliner stadtzeitung
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My BSR just kehrs for me

Die BSR-Imagekampagne zieht ihre Kreise

Ein jeder Besucher der Stadt Florenz wird von der geballten Ladung an Architektur und Kunst beeindruckt sein. Einen besonderen Eindruck jedoch hinterließ die städtische Müllabfuhr, die in Form eines Müllautos, bestückt mit zwei ranken und schlanken, dunkelgelockten jungen Damen in schicken blauen Uniformen - man hätte sie für Fotomodelle halten können - auftrat. Mit vollendeter Grazie leerten sie am Piazza Santa Croce vor staunenden Touristen die Abfallbehälter und rauschten davon.


Berlin ist nicht Italien, und die Müllabfuhr ist vielen von uns wahrscheinlich als Gepolter und Gebrüll auf einem Hinterhof um 7 Uhr an einem Montagmorgen bekannt - bisher zumindest. Das war vor "Dirty Harry". Denn was sind Florentiner Schönheiten gegen "Dirty Harry"? Spätestens seitdem dieser Mini-Hund riesenhaft von orangen Plakaten herablächelt, sind die Berliner Stadtreinigungsbetriebe in aller Munde.

Auch wenn Pressesprecher Bernd Müller ausdrücklich betont, daß es sich bei den Plakaten in Orange nicht um eine Image - sondern "Informationskampagne" handele, hat sie genau das erreicht, was aufwendig inszenierte Imagekampagnen zum Ziel haben - eine Imageverbesserung. Nicht daß die BSR ein sonderlich schlechtes Bild in der Öffentlichkeit gehabt hätte, vielmehr wurde sie einfach kaum wahrgenommen. Denn Hintergrund der Kampagne ist eine von der BSR durchgeführte Umfrage in der Berliner Bevölkerung, laut der 90 % der Einwohner die Stadt als sehr schmutzig empfanden und darüberhinaus das Bedürfnis hatten, die Stadtreinigungsbetriebe näher kennenzulernen. Damit ergab sich für die BSR, daß sie mehr auf sich aufmerksam machen und auf sympathische Art und Weise für mehr Akzeptanz werben müßte. Die Werbeagentur Heymann & Schnell wurde beauftragt, die für die Kampagne inzwischen vom internationalen "Jahrbuch der Werbung 1999" ausgezeichnet wurde.

Charmanter Hundekot

Die Kampage ist langfristig - für 2 bis 3 Jahre - angelegt und soll die BSR ins Bewußtsein der Bürger einprägen und letztendlich auch ihr Handeln beeinflussen (z.B. "Noch 7 cm bis zur Müllkippe"). Und kann man auf charmantere Weise auf das Berliner Hundekotproblem aufmerksam machen? Die Plakataktion wird unterstützt von Anzeigen, besonderen Veranstaltungen, Aktivitäten in den Bezirken und Diskussionsrunden. So wird es am 3. Juli einen Tag der Offenen Tür im BSR-Betriebshof Steglitz geben. Beim diesjährigen "Karneval der Kulturen" hat die Berliner Stadtreinigung Taschenaschenbecher verteilt, um den "7 cm bis zur Müllkippe" vorzubeugen. Und nicht zu vergessen ist der alljährliche Einsatz bei der Love Parade. Darüberhinaus ist die BSR an der Senatskampagne "Sauberes Berlin/ Es ist Eure Stadt!" - von einigen als weniger geglückt empfunden - beteiligt, die von insgesamt 17 Unternehmen (z.B. BEWAG, Wall Verkehrsanlagen, ALBA, GASAG, DASS) unterstützt wird.

Und siehe da - auf einmal gab es sogar Anrufe von Verbrauchern, welche den Eindruck hatten, die BSR habe mehr Arbeitskräfte eingestellt, was zudem beweist, daß man durch geschickte Werbung tatsächlich aus Schwarz Weiß machen kann. Die Plakate sind inzwischen heißbegehrt und können käuflich erworben werden. Demnächst sollen Postkarten folgen. Ein Rundumerfolg: Auch die Motivation der Mitarbeiter soll sich erhöht haben. Ebenso geht es natürlich auch um eine Verbesserung der Lebensqualität in Berlin. Dies sind Ergebnisse, die besonders vor dem Hintergrund der Diskussion um eine drohende - wenn inzwischen auch abgewendete - Privatisierung der BSR besonders zu beachten sind.

Müllmonopol

Wie viele öffentliche Betriebe hatte die BSR mit dem Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit oder der Unbeweglichkeit zu kämpfen. Übel, denen man von politischer Seite in der Regel nur mit einer Privatisierung als Allheilmittel beizukommen wußte. Jedoch konnte die BSR laut eigener Darstellung ihre Wirtschaftlichkeit in den letzten Jahren steigern, indem z.B. Stellen gekürzt wurden, was in Verbindung mit anderen Rationalisierungsmaßnahmen die Produktivität erheblich erhöhte. Mit der Novelle des Landesabfallgesetzes sind die Arbeitsplätze der BSR vorerst gesichert. Damit werde die BSR als Monopolentsorger für Hausmüll fungieren, wobei Recycling in Zusammenarbeit mit den Privaten geschehen soll. All dies soll jedoch mit dem Ziel einer erhöhten Konkurrenzfähigkeit bzw. der Schaffung "zukunftsorientierter Arbeitsplätze in ökologischer Verantwortung" verbunden sein, wie es Peter Strieder, Senator für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, einmal in seinem Journal "Stadtforum" formulierte.

Obwohl in aller Munde, traf die Kampagne in Orange nicht nur auf Zustimmung. Was für die einen ein kreativer Umgang mit Sprache ist, stellt für die anderen eine Sprachverhunzung dar. So stieß sich der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache an den englischen Sprüchen der Plakate. Bernd Müller versichert jedoch, daß man inzwischen mit dem Verein in "einem sachlichen Dialog" stünde. Inzwischen ist die BSR-Kampagne sogar bis in die entfernten Vereinigten Staaten gedrungen. So hatte ein Botschafter bei seiner Verabschiedung doch besonderen Wert auf das Poster mit dem Motiv "We kehr for you" als Andenken an Berlin gelegt.

Mareike Meyer

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  Ausgabe 06 - 1999