Ausgabe 05 - 1999berliner stadtzeitung
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Das Planwerk ist machbar, Herr Nachbar!

...aber nur, wenn Grundstücke weit unter Wert verscherbelt werden

Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie zum Planwerk Innenstadt kann niemanden überraschen: Es ist machbar. Das meinen jedenfalls die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie beauftragten Gutachter: das "Büro Eichstädt" von Wulf Eichstädt, einem persönlichen Freund des Masterplaners Dieter Hoffmann-Axthelm, und die "Forschungsgruppe Stadt und Dorf" von Rudolf Schäfer, TU-Architekturprofessor und Moderator des Stadtforums. Neben einer städtebaulichen Kalkulation wurden die stadtwirtschaftliche und planungsrechtliche Durchführbarkeit untersucht.

Das im November 1996 vorgestellte Planwerk Innenstadt hat zum Ziel, urbanen Eliten ("Urbaniten") das Wohnen in der Innenstadt schmackhaft zu machen. Dazu soll auf untergenutzten Freiflächen Bauland für Stadthäuser geschaffen werden. Die Planung orientiert sich dabei am historischen Stadtgrundriß, überbreite Straßen sollen zurückgebaut werden, aber auch Grünflächen zur Überbauung freigegeben werden.

Die zugrundeliegende Planungsphilosophie wurde breit kritisiert, bei der Diskussion stand "vielfach die Perspektive der Betroffenen im Mittelpunkt", wie Stadtentwicklungssenator Peter Strieder offenbar bedauernd feststellt. Die nun vorgelegte Studie soll hingegen klären, ob das Planwerk finanziell und rechtlich überhaupt durchführbar ist.

Ein großer Teil der überplanten Flächen gehört dem Land Berlin. Die Verfügbarkeit über die landeseigenen Flächen soll als Instrument der Stadtentwicklung eingesetzt werden. Es ist vorgesehen, die gesamten Kosten für den "Stadtumbau" durch die Grundstücksverkäufe wieder hereinzuholen. Ansonsten soll die Umsetzung des Planwerks aber privatwirtschaftlich erfolgen: Der Grundstückskäufer muß alle nötigen Umbaumaßnahmen und Infrastruktureinrichtungen selbst bezahlen, ihm werden aber diese Kosten vom Kaufpreis des Grundstücks abgezogen.

"Abweichende Bodenpreisbestimmung"

Diese Senkung des Bodenpreises macht aber eine im Planwerk vorgesehene Bebauung mit hohem Wohnanteil noch nicht rentabel. Der festgesetzte Verkehrswert der Grundstücke ist besonders in Mitte mit 5000 bis 7000 DM/qm so hoch, daß sich dort nur der Bau von hochwertigen Büros und Geschäften rechnen würde. Um Wohnungsbau in solch teuren Lagen überhaupt zu ermöglichen, soll dem Gutachten zufolge der Bodenrichtwert auf das Niveau citynaher Wohngebiete abgesenkt werden: Damit würde der Bodenpreis auf etwa 2000 DM/qm "heruntergemogelt" - ein schönes Geschenk für die potenten selbstnutzenden Bauherren, auf denen die Hoffnung des Planwerks liegt, und ein dickes Minus bei der Einnahmeerwartung der Finanzsenatorin, die im Grundsatz nur zum Verkehrswert verkaufen darf.

Dieser Ansatz ist "politisch umstritten", meint Julian Wékel, Abteilungsleiter in der Stadtentwicklungsverwaltung. Von der Senatsfinanzverwaltung ist offenbar Widerstand zu erwarten: "Dieses Modell könnte nur zielgerecht greifen, wenn entsprechende Anteile der Verkaufserlöse zweckgebunden für die Stadtreparatur verwendet und nicht als Ressource der Haushaltskonsolidierung betrachtet würde", schreibt Wékel in der Zusammenfassung der Studie.

Rentabilität nur durch Standardabsenkung

Auf Grundlage dieser "abweichenden Preisbestimmung" wurden auch die Kosten für Modellwohnungen errechnet. Eine 70-Quadratmeter-Wohnung am Molkenmarkt wäre demnach für 394000 DM zu haben. Erst wenn etwa auf Tiefgaragen verzichtet, die Geschoßhöhen reduziert und die Bebauungsdichte weiter erhöht wird, können die Kosten unter 300000 DM sinken und den Preisvergleich mit dem Eigenheim am Stadtrand standhalten. Insgesamt sollen nach dem derzeitigen Planwerksentwurf rund 23000 neue Wohnungen entstehen.

Um die Durchführung des Gesamtprojekts zu managen, empfehlen die Gutachter die Bildung einer Trägerorganisation, die die Umsetzung an den jeweiligen Orten über städtebauliche Verträge regeln soll. Darüber hinaus soll die Senatsbauverwaltung Richtlinien für die bezirkliche Bebauungsplanungs- und Baugenehmigungspraxis erlassen, damit eventuell widerspenstige Bezirksämter den reibungslosen Ablauf nicht gefährden.

Grundvoraussetzung dafür ist allerdings ein Senatsbeschluß, der dem Planwerk einen rechtsverbindlichen Charakter verleiht. Senator Strieder will einen solchen Beschluß unbedingt noch vor den Wahlen im Oktober durchdrücken, doch laufen ihm nicht nur die Zeit, sondern auch - liest man die Machbarkeitsstudie kritisch - die Argumente davon.

Jens Sethmann

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