Ausgabe 03 - 1999berliner stadtzeitung
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Videogegenöffentlichkeit will erwachsen werden

Die achtzehnte Ausgabe des politischen Videomagazins AK Kraak ist erschienen

Als in der bewegten Nachwendezeit im Jahr 1990 eines der ersten der vielen damals besetzten Häuser geräumt wurde, beschloß eine Gruppe von AktivistInnen, dies auf Video zu dokumentieren. Daraus entstand die Idee einer Videozeitung, die von und für die Besetzerszene gemacht wird: AK Kraak war geboren. Neun Jahre später, die besetzten Häuser sind entweder geräumt oder legalisiert worden, hat sich AK Kraak zu einem wichtigen Sprachrohr verschiedenster linker politischer und sozialer Bewegungen entwickelt: Die achtzehnte Ausgabe ist soeben erschienen, in ihr wird unter anderem über die bundesweite Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Immigranten sowie die Friedensbewegung in Serbien berichtet. Es gibt einen hintergründig differenzierten Beitrag zu den Protesten gegen die Entführung des PKK Chefs Öcalan und Eindrücke von den antirassistischen Camps an der Grenze zu Polen.

Als einziges "klassisches" Häuserkampfthema wird über die Gefährdung des autonomen Kulturzentrums "Köpi" berichtet. "Man könnte fast sagen, wir sind mit dieser achtzehnten Ausgabe erwachsen geworden," meint Manuel, AK Kraak Aktivist der ersten Stunde. "Während viele Videoprojekte, die aus konkreten politischen oder sozialen Bewegungen entstanden sind, mit dem Abflachen dieser Bewegungen eingegangen sind, haben wir uns thematisch weiterentwickelt. Und wir sind nicht mehr so auf Berlin konzentriert wie früher."

Themenspektrum erweitern

Was bleibt, ist allerdings nach wie vor ein radikaler, nicht durch eine aufgesetzte Objektivität gefilterter Blick auf die Dinge, bei dem die MacherInnen klar zu ihrer Betroffenheit stehen. Stilistisch bewegen sie sich dabei im Bereich von klassischer Dokumentation über trashige Ironie bis zu so etwas wie Infotainment.

Erwachsen werden möchte AK Kraak auch organisatorisch. Manuel: "Viele von uns stehen gerade an einem Scheideweg, sie haben ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen und müssen sich nun entscheiden, sich entweder ins Berufsleben zu stürzen, oder sich vielleicht mit AK Kraak auch eine ökonomische Basis aufbauen zu können." Dieses Jahr bezog das Videoprojekt seine neuen Räume im Selbsthilfehaus in der Kastanienallee 77.

Mit dem Umzug wird auch eine Phase der Professionalisierung mit neuen Projektideen eingeleitet. Unter dem Namen "Basta TV" wird AK Kraak einen festen Sendeplatz jeden ersten Sonntag und jeden dritten Montag um 21 Uhr im Offenen Kanal haben, es sollen Camcorder Workshops angeboten werden, in denen die Fähigkeit zur Produktion eigener Videobeiträge erlernt werden kann. Ein Archiv sozialer Bewegungen wird aufgebaut, das von interessierten Personen wie etwa Journalisten genutzt werden kann. Die große Perspektive ist, in einer Art Vermittlerrolle zwischen politischen Gruppen und den Medien zu fungieren.

Internationale Vorbilder und Vernetzung

Das britische Pendant zu AK Kraak nennt sich "Undercurrents" und praktiziert dies schon seit einigen Jahren mit großem Erfolg: Sie sind mittlerweile, wenn es um die Vermittlung von Filmmaterial zu sozialen Bewegungen geht, zu einer der ersten Ansprechpartner auch für die Vertreter der etablierten Medien geworden.

Genauso werden dort seit längerem mit Workshops Menschen motiviert, eigene Videofilme zu produzieren.Gleichzeitig entwickelt sich gerade parallel dazu ein dezentrales Netzwerk von Videoaktivisten und Projekten. Gegenöffentlichkeit kann sich so mehr und mehr artikulieren und damit letztendlich auch Einfluß auf das politische Geschehen nehmen. Kontakte zu "Undercurrents" und anderen Videogruppen sind für die MacherInnen von AK Kraak eine wichtige Inspiration für die Weiterentwicklung ihrer Arbeit. Gemeinsam ist ihnen auch, gerade in Zeiten,wo verschiedene Szenen und Bewegungen sehr abgegrenzt und isoliert existieren, das Bemühen, diese wieder mehr zusammenzubringen und Verbindendes aufzuzeigen.

"Wir sind so etwas wie eine Klammer, in der ganz verschiedene Szenen zusammengefaßt sind", so Manuel abschließend, "und wir wollen rüberbringen, man hat was Gemeinsames. Und schön ist auch, wenn die Leute bei unseren Vorführungen zusammenkommen, statt allein vor der Glotze zu sitzen."


Michael Philips

Für an mehr Information oder Aufführungsterminen Interessierte :
AK Kraak Kastanienallee 77, fon 44 04 74 58


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