Ausgabe 22 - 1998berliner stadtzeitung
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Ohne Happy End

Das Jugendtheater STRAHL

Bereits im elften Jahr agiert das professionelle Jugendtheater STRAHL als freie Gruppe ganzjährig vor allem im Saal des Schöneberger JugendKulturZentrums "Die Weiße Rose" am Wartburgplatz. Die kollektive Erarbeitung der Spielvorlagen entspricht der Methodik der linken Alternativtheater. Sie beginnt mit theoretischer Einarbeitung, verbunden mit genauer Recherche in der jeweiligen Szene und verdichtet den Stoff, der in Voraufführungen und Diskussionen mit der Zielgruppe das vorläufige Ergebnis mit deren Rückmeldung konfrontiert, um eigene Klischees zu korrigieren. Im Unterschied zu den meist universaloptimistischen Schlüssen des bundesweit etablierten GRIPS-Theaters geht es der Gruppe, der doppelsinnig der Mitbegründer Rainer Strahl seinen Namen verlieh, darum, auch bei brisanten Themen Widersprüche deutlich zu machen statt sie zuzukleistern.

Gleich die erste Produktion der sich in der Tradition eines emanzipatorischen Theaters sehenden "Theaterproduktion STRAHL", "Dreck am Stecken" zum Thema AIDS, wurde 1987 für die GründerInnen Gila Schmitt, Wolfgang Stüßel und eben Reiner Strahl zum Volltreffer. "Gleich knallt´s" ist das Nachfolgestück für den vielgespielten "Volltreffer", einem Stück um ungewollte Schwangerschaft gleich beim "ersten Mal" für die über 14jährigen. Wie die meisten anderen Stücke von Günter Jankowiak in Szenen gegossen, ist es "ein Stück über die Suche nach dem Glück", über Träume, die in einem von aggressivem Egoismus geprägten Alltag sehr schnell zum Alptraum werden können. Nicht die Andeutung eines Happy Ends gibt es in den Beziehungen der beiden Mädchen Lena und Caro und den drei Jungs Börnie, Boris und Golzo.

Caro wird wegen ihrer Leibesfülle nicht wirklich, sondern nur blöd angemacht. Lena ist hübsch, aber Scheidungsopfer, und die zarte Verliebtheit in Börnie wird von diesem zwar erwidert, aber durch seine rechtsradikalen Allüren zertrampelt. Mit denen ebenso wie mit Alkohol sucht Börnie sich selbst gegen einen prügelnden Vater und die aussichtslose Lehrstellensuche zu behaupten. Boris als deutschstämmiger russischer Jude ist Hauptzielscheibe seines Hasses. Golzo dagegen ist schwul und würde gerne dessen Freund, aber der ist nun einmal in dieser Beziehung nicht anders. Golzo hat in dem Stück sogar einen schwulen Onkel, der ihn unterstützt, aber jeder Zuschauer kann sich ausmalen, daß er auch in Zukunft allein damit schon zu kämpfen haben wird.

Schon ist man mittendrin und konfrontiert mit den deformierenden Verhältnissen. Lösungen des ganzen Schlamassels tauchen nur in der Phantasie auf, wo die Figuren auf der Bühne zwar in die Sackgasse laufen, man sich aber bessere Alternativen vorstellen kann. Die Szenen bestimmt eine Welt, in der sie "kleingemacht, eingemacht und ausgelacht werden, wo man ihnen Räume und Träume nimmt und ihre Gefühle mißbraucht. Kurz: da, wo die Suche nach dem großen Glück zum Dauer-Frust und Trauer-Spiel wird und jeder sehen muß, wo er bleibt", wie es im Programmheft zusammenfassend heißt.

Franz-Josef Paulus, Redakteur der theaterpädagogischen Zeitschrift "SpielArt"

Termine:
24. bis 26. November um 11 Uhr, am 27. November um 11 und 19 Uhr, 1. und 2. Dezember um 11 Uhr, am 3. Dezember um 11 und 19.30 Uhr, 4. Dezember um 11 Uhr, sowie am 14. Dezember um 18 Uhr und vom 15. bis 18. Dezember um 11 Uhr
Ort:
"Die Weiße Rose" Martin-Luther-Str. 77, fon 6931214.

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