Ausgabe 06 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag

 

Seid wachsam, deutet die Zeichen!

Im August 2007 wird es so aussehen, als habe die Redaktion der mittlerweile 17jährigen Stadtzeitung scheinschlag ihr Erscheinen eingestellt. Doch der Schein trügt. Daß der scheinschlag nicht mehr, wie gewohnt, in dicken Packen in den scheinschlag-Kästen liegt, wird den Bewohnern dieser Stadt eine Frage aufgeben: Wo ist der scheinschlag? Am Anfang werden sie nur ein wenig irritiert sein. So ein kleines bißchen – nicht mehr, als wenn ein Haus, das man täglich sieht, plötzlich in einer anderen Farbe gestrichen ist. Doch bald werden sie an immer mehr Orten vorübergehen, an denen der scheinschlag fehlt: Supermärkte, das Kino, die Stammkneipe, die Frühstücksbrötchenbäckerei. Wieder und wieder werden sie sich die Frage stellen: Wo sind sie? Diese 16 Seiten vor Gewöhnung fast vergessenes Zeitungspapier? Was ist anders geworden, daß es den scheinschlag nicht mehr gibt?

Die Fragen lassen die Menschen nicht mehr los. Sie führen zu weiteren Fragen: Welche Koordinate dieser Welt hat sich verschoben, daß ausgerechnet der scheinschlag verschwunden ist? War es eine wichtige Koordinate? Ist die Welt noch dieselbe wie zuvor? Es werden die Sensiblen, Reizbareren sein, die Nervösen, die manchmal unter Migräne leiden, kettenrauchen, trinken, zuweilen wahnsinnig werden oder eine wichtige Erfindung machen, die diese Fragen bis in den Schlaf verfolgen. Diejenigen, mit denen man eine neue Gesellschaft erfinden, einen Geniestreich planen – oder ab und an eine neue Zeitung gründen kann. Sie werden mit offenen Augen und geschärften Sinnen durch die Stadt wandern, um Signale zu empfangen. Zeichen, die einen Hinweis darauf geben, was kommen wird, was unternommen werden muß. Zwar wissen sie noch nicht was – aber eins ist sicher: Etwas muß unternommen werden!

Liebe Leser – dies und nichts anderes war der geheime Plan. Für Uneingeweihte wird es so aussehen, als habe einfach eine Zeitung ihr Erscheinen eingestellt. Die Wahrheit ist: Die Redaktion ist in den Untergrund gegangen. Seid wachsam! Achtet auf jegliches, was sich in eurer Stadt verändert! Auch winzige Verschiebungen können ein Zeichen sein! Wir haben euch nicht vergessen! Zur rechten Zeit, am rechten Ort werden wir uns wieder sehen – und alles, was getan werden muß, wird seinen Anfang nehmen.

Tina Veihelmann


 
 
Ausgabe 06 - 2007 © scheinschlag 2007