Ausgabe 05 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kann ich mich selbst glücklicher machen?

„Ja. Kaufen Sie unser neues Buch."

Ratgeber zum Glück scheinen ein lohnendes Geschäft zu sein. Der Buchhandel wird geradezu überschwemmt von allerlei dubiosen Werken à la Sorge dich nicht, lebe! Es liegt also nahe, sich an die wissenschaftliche Forschung zu wenden, um der Scharlatanerie zu entgehen. Das Münchner Institut für Glücksforschung rät auch prompt dazu, ein für allemal zu vergessen, „was Ihnen die vielen dubiosen Selbsthilfe- und Psycho-Ratgeberbücher oder schnell zusammengestückelten, armselig oberflächlichen Illustrierten- und Zeitungsartikel über das Glück zuhauf und en masse erzählen wollen".

Wem nun die Ausdrucksweise der hohen Wissenschaft unangemessen erscheint, der wird vielleicht auch ob des fachlichen Werdegangs des Institutsleiters Bernd Hornung stutzig werden: Der weist sich nämlich in einer Profession, die üblicherweise in den Händen von Soziologen, Psychologen und Hirnforschern liegt, als diplomierter Kaufmann und Handelslehrer aus. Und scheut sich nicht, sich als „Deutschlands führenden Glückswissenschaftler" zu bezeichnen, der mit Glücksforschung und Glückswissenschaft Band I: Wie man wirklich glücklicher wird ein „Standardwerk" verfaßt habe. Was treibt also dieser überaus selbstbewußte Herr, der doch immerhin mit zahlreichen ihm zugetanen Presseberichten hofieren geht?

Offensichtlich hat sich Hornung durch vielerlei wissenschaftliche Literatur, vor allem aus den USA, gearbeitet, und gibt nun, ohne auf eigene Forschungen verweisen zu können, ein Best-of daraus wieder. Hangelt sich von den Definitionen für Glück über neuronale Details hin zu den Fragen, welche Menschen mehr und welche weniger glücklich sind. Streift dabei so spannende Thesen wie die, daß das Glücklichsein in wohlhabenden Gesellschaften kaum noch vom Einkommen abhänge. All das wäre ja durchaus zu ertragen, würde Hornung nicht immerzu in subjektive, ja geradezu naiv daherkommende Betrachtungen über das Menschsein abgleiten und sich in den statistischen Begrifflichkeiten und Argumentationen seiner angelsächsischen „Kollegen" verfangen, sie zuweilen gar höchst mißverständlich wiedergeben.

Gleichzeitig unterliegt er einem geradezu zwanghaften Drang, sich gegen jene Wissenschaftler abzugrenzen, die sich an hiesigen Universitäten dem Glück zugewandt haben. Ein Soziologieprofessor muß sich zum Beispiel die Schmähung gefallen lassen, bar jeder Sachkenntnis „eine Art hoch gebildeten Schwachsinns" darzubieten.

Dabei liegt jenes Wort ­ Schwachsinn ­ tatsächlich bedenklich nahe, sucht man die Internetseite auf, auf der Hornung sein Institut präsentiert und aus seinen im Buchhandel nicht erhältlichen Veröffentlichungen berichtet. Quietschbunt zappelnde Grafiken und visuell schreiende Smileys stürzen aus dem Bildschirm und machen die Lektüre des ebenfalls farbenfroh gesetzten Texts nicht gerade einfach. Eingestreute Diagramme, die Forschungsergebnisse referieren sollen, führen angesichts ihrer fehlerhaften Beschriftung in die Irre. Bezeichnend erscheint, daß letztendlich jeder Textabschnitt auf die Seite zur Bestellung der „Standardwerke" weiterleitet.

Bernd Hornung, der von sich behauptet, auf der anerkannten zehnstufigen Glücksskala zwischen acht und neun zu liegen, zeigt mit aller Klarheit, daß kaum etwas sicherer zum Glück zu führen scheint, als das konsequente Ausleben einer gehörigen Portion Selbstüberschätzung. 

Tobias Höpner

www.gluecksforschung.de

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