Drei, zwei, eins: Wer macht die Gewinne?
Ein Dokumentarfilm zum Massenphänomen Ebay
Im 21. Jahrhundert ist Handel allgegenwärtig und
weltumspannend. Käufer und Verkäufer sind nicht mehr
voneinander zu unterscheiden, alle kaufen und verkaufen. 200 Millionen
Menschen verlassen dafür nicht einmal mehr das Haus, sondern
flanieren durch das weltweit größte Handels- und
Auktionshaus Ebay, stellen ihre Ware auf die Internetplattform, machen
Angebote und versuchen, ihre Mitstreiter im Kampf um die Ware zu
überbieten. Der Gewinner tä-
tigt nur noch eine Online-Überweisung, fertig ist das Geschäft. Anschließend wartet er auf den Paketboten.
Was der Paketbote dann bringt, spielt nur eine
untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht das Entdecken von
Schnäppchen, Raritäten oder möglichst Sonderbarem aus
der Welt der Stars oder von Omas Dachboden. Die Faszination liegt im
Versteigerungsprozeß selbst: Im heimischen Einzelhandel versteht
kaum jemand, wie die Preise zustandekommen, Ebay taugt hingegen als
Paradebeispiel für jeden Grundkurs in Betriebswirtschaft. Hier
kann jeder live mitverfolgen, wie sich Angebot und Nachfrage treffen
und den Preis bilden.
Die beiden Filmemacher Marcus Vetter und Stefan Tolz
verfolgen den Traum vom direkten Marktplatz, auf dem alle zu den
gleichen Konditionen miteinander handeln können bis in die letzten
Winkel Mexikos, Schottlands und Deutschlands. In Traders' Dreams
erzählen sie Episoden aus der Ebay-Welt, lassen begeisterte
Nutzer, hoffnungsvolle Händler und die amerikanischen Erfinder zu
Wort kommen. Ein Marketingstratege von Ebay behauptet, es lägen
noch mehrere Billionen US-Dollar in den Kellern und auf den
Dachböden der Welt: „totes Kapital" und heizt so den
amerikanischen Traum an, vom Sammler oder Messie zum Millionär zu
werden. Weltweit hat diese Strategie eine halbe Million Menschen dazu
gebracht, ihr Glück bei Ebay zu versuchen und eine Existenz als
sogenannte „Powerseller" aufzubauen.
Der arbeitslose Ingenieur Konrad Thurm aus dem
sächsischen Borna ist einer von ihnen. In der Ebay-Kampagne klingt
alles ganz einfach: „Find a product and bring it in the world",
„200 Millionen Internetnutzer warten auf Ihr Angebot",
„Gewinne von 30000 Euro" gelten als gesichert. In der
Realität jedoch trägt der Powerseller das volle Risiko, ob er
verkauft oder nicht, in jedem Fall muß er pro Artikel und Angebot
an Ebay eine Einstellgebühr zwischen fünf Cent und fünf
Euro zahlen. Garantierte Gewinne macht Ebay allein, hinzu kommt eine
Provision in Höhe von fünf bis zwölf Prozent.
Die Monopolstellung von Ebay gilt als kaum angreifbar.
Das Auktionshaus ist in 33 Ländern präsent, im Jahr 2006
machte Ebay einen Gewinn von 1,12 Milliarden US-Dollar und kaufte in
den letzten sieben Jahren alle potentiellen Konkurrenten, sparten- oder
länderspezifische Internetauktionshäuser für jeweils
zwei- bis dreistellige Millionenbeträge auf. In zahlreichen
Internetblogs klagen Ebay-Nutzer über stark steigende
Einstellgebühren, die vor allem zu Lasten von Privatleuten gingen.
Leider vergißt der Film, diesen Aspekt deutlich
herauszustellen. Stattdessen verbleibt er einige Minuten zu lang und
mit zu wenig Distanz auf der jährlich stattfinden Ebay-live-Party,
auf der Ebay-Coaches sektengleich finanziellen Erfolg genauso wie
menschliche Nächstenliebe versprechen. Ebay versteht sein
internationales Agieren am ehesten als wirtschaftliche Demokratisierung
der Welt.
Dem steht der chinesische Internet-Unternehmer Jack Ma
eher gelassen gegenüber, er will sein chinesisches Auktionshaus
alibaba.com weder an Ebay verkaufen noch verlangt er Gebühren von
seinen Kunden. Stattdessen möchte er Ebay dazu bewegen, die
Handelsplattform ebenfalls kostenlos anzubieten. Auf dem chinesischen
Markt hat Jack Ma Ebay schon verdrängt, warum soll das nicht auch
in Europa klappen? Unklar bleibt im Film, wie sich alibaba.com
finanziert.
Kostenlose Internetauktionshäuser gibt es auch in
Deutschland, die meisten Mitglieder zählt hood.de, doch das
Problem seien, so diskutieren User im Internet, zu wenige Nutzer und
Anbieter. Doch dies könnten Anbieter und Nutzer selbst am
schnellsten ändern. Vielleicht wäre das auch eine gute
Alternative für Konrad Thurm aus Borna, dem es trotz aller
Ebay-Euphorie und tatkräftiger Unterstützung seiner ganzen
Familie nicht gelingt, Faschingskostüme aus dem bornaschen
Kleiderfachgeschäft oder regionale Spezialitäten aus Sachsen
über die Handelsplattform Ebay unter die Leute zu bringen.
Einstellgebühr zahlt er trotzdem. Fanti Baum
Traders' Dreams Eine Reise in die Ebay-Welt. Ab dem 28. Juni im Kino.