Ausgabe 05 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

„Radfahrende Kunden sind nicht die schlechtesten Kunden"

Einkaufsstraßen werden auf ihre Radtauglichkeit hin untersucht

Im April hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) das bundesweite Projekt „Einkaufen mit dem Rad" gestartet: Die Bedingungen für radfahrende Kunden sollen verbessert und mehr Menschen zum Einkaufen aufs Rad bewegt werden. In Berlin sollen fünf Einkaufsstraßen modellhaft bearbeitet werden: die Schloßstraße in Steglitz, die Karl-Marx-Straße in Neukölln, die Breite Straße in Pankow, die Frankfurter Allee in Friedrichshain und die Bergmannstraße in Kreuzberg. Alle werden auf ihre Fahrradtauglichkeit hin untersucht. Anschließend sollen konkrete Verbesserungen vorgeschlagen werden. Laut BUND ist in Berlin die Situation in den Einkaufsstraßen extrem schlecht, da es sich hauptsächlich um Durchgangsstraßen für Autos handelt. Daß sich Menschen dort aufhalten sollen und wollen, sei meist nicht vorgesehen. Er bemängelt, daß man mit dem Rad oft nur schwer auf den Bürgersteig kommt und mit Anhänger meistens nur dann eine Chance hat, wenn man große Umwege in Kauf nimmt, denn parkende Autos versperren den Weg. Und das bekannte Problem, daß man sein Fahrrad nicht in der Nähe von Geschäften abstellen kann, ist auch wieder auf der Agenda. Selten genug findet man brauchbare Radständer.

„Der Kunde mit Rad ist in Berlin eher ein unbekanntes Wesen. Deshalb wollen wir Verwaltung und Handel davon überzeugen, das sowohl Chancen für die Bezirke als auch für den Handel darin stecken", erläutert Merja Spott, Projektleiterin vom BUND. „Der Anteil von Kunden mit Rad kann wirklich gesteigert werden, und es sind in der Regel nicht die schlechtesten Kunden. Der Einzelhandel kann davon profitieren, und eine lebendige Einkaufsstraße ist für einen Bezirk ein großes Plus", so Spott.

In Prenzlauer Berg hat man den Ruf der Fahrradfahrer allerdings schon seit längerem erhört. So wurde beispielsweise rund um den Kollwitz- und Helmholtzplatz vor zwei Jahren eine wahre Armada von vorbildlichen Fahrradbügeln auf den Gehwegen einzementiert. Wenn man morgens aus der Haustüre trat, waren schon wieder neue da. Will man also mal zum Bäcker, zum Biokäseladen oder Teeshop radeln, ist jetzt hier alles geritzt.

Als Prüfstein, ob man grundsätzlich auf das Auto verzichten kann, erweist sich aber meist der alltägliche Lebensmitteleinkauf: Erledigt man auch den auf zwei Rädern? Oder macht man doch lieber den wöchentlichen Großeinkauf und transportiert alles im Kofferraum ab? Und da hapert es mit der Fahrradfreundlichkeit vor allem noch bei den Discountern ­ selbst im vielradelnden Prenzlauer Berg. Die überdimensionierten Parkplätze vor Aldi, Lidl, Plus signalisieren ja schon von weitem deutlich genug, daß man die autofahrende Kundschaft bevorzugt. Die paar aufgestellten Fahrradständer, die sogenannten Felgenkiller, erweisen sich zudem als besonders ärgerliches Alibiangebot, denn sie sind in diesem Falle ausgesprochen tückisch: Sobald man seine Einkäufe auf den Gepäckträger oder in den Lenkerkorb hievt, droht das Zweirad kräftig Schlagseite zu kriegen und die Felge ist hin. Eine ausgeklügelte Technik muß man sich daher für den Abtransport antrainieren: Einkäufe abstellen, Rad losschließen, Rad rausziehen, mit Hüfte und Bein notdürftig stabilisieren, jetzt irgendwie nach den Tüten hangeln und Sachen aufladen. Wieder mal geschafft, geht doch. 

Sabine Schuster

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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