Leserbriefe Zum Interview „Angst ist ein gutes Herrschaftsinstrument, aber ein schlechter Ratgeber" in scheinschlag 3/07
Klima und Atmosphäre verändern sich weltweit,
u.a. durch den vom Menschen verursachten Ausstoß von Kohlendioxid
aus fossilen Brennstoffen. Anfang 2007 wurde endlich dieser
Zusammenhang und das Risiko von verheerenden ökologischen Folgen
(z.B. weltweite Erwärmung, Ansteigen des Meeresspiegels,
Versauerung der Meere) von der Mehrheitspolitik anerkannt ein
spätes und langsames Umsteuern ist immerhin in Sichtweite.
Und was macht der scheinschlag? Interviewt die
„Zweifler" Dirk Maxeiner und Michael Miersch. Dieses Autorenteam
hat seit längerem seine publizistische Marktlücke im
Eindreschen auf „Gutmenschen" und „Öko-Aktivisten"
gefunden und gefällt sich im Formulieren kruder Plattheiten gegen
den „politisch korrekten" Mainstream. Ein paar Kostproben:
„Die Globalisierung ist eine Befreiungsbewegung für die
Dritte Welt", „Dialog der Kulturen ist, wenn die eine Seite
Respekt predigt und die andere Botschaften anzündet." Und nun also
als neues Thema die „Klimahysterie", mit unwissenschaftlichen
Argumenten à la „Aber am Südpol gibt es keinen Trend
zur Erwärmung" oder dem sinnfreien Gegeneinander-Ausspielen von
Klimaschutz und „tausenden sterbenden Kindern".
Warum der scheinschlag dafür ein Forum bietet, ist
mir schleierhaft. Werden wirklich „Widerworte zur Pflicht", nur
weil krude Thesen von der überwältigenden wissenschaftlichen
Mehrheit abgelehnt werden? Dann bin ich ja auf die nächsten
Interviews mit Kreationisten und Holocaust-Leugnern gespannt.
Achim Schröer
Zum Artikel „Auf der Suche nach der Lieblingswahrheit" in scheinschlag 4/07.
Wenn einige junge Amateure versucht haben, mit ihren
stümperhaften Nachforschungen etwas Geld zu verdienen, so haben
sie doch eines erreicht, nämlich die Öffentlichkeit auf Dinge
aufmerksam zu machen. Sicher haben sie nichts Seriöses abgeliefert
(konnten sie auch mit ihren Mitteln nicht), aber sie haben dazu
beigetragen, daß berechtigte Fragen gestellt werden. Mittlerweile
beschäftigen sich auch ernstzunehmende Menschen mit dem Thema.
Schauen Sie sich doch einmal den Film in Ruhe an. Das
können doch nicht alles Spinner und Idioten sein. Außerdem
gibt es genügend Bildmaterial, das alleine vom Anschauen
auffordert, Fragen zu stellen. Physikalische Gesetze sind ebenso wenig
zu umgehen wie die Tatsache, daß Filmmaterial aus den Medien
nicht zu manipulieren ist.
Auf jeden Fall hat die Bush-Regierung in meinen Augen
nicht dazu beigetragen, die offenen Fragen zu beantworten.
Untersuchungen nach einem Flugzeugabsturz werden besser und
gründlicher durchgeführt als die zum 11.September 2001. Vor
dem Hintergrund, daß Bush die Welt in vieler Hinsicht belogen
hat, muß er sich nicht wundern, wenn ihm heute kein Mensch mehr
traut. Zu behaupten, daß die sogenannten
Verschwörungstheorien gerade in Europa so populär sind, finde
ich recht gewagt und meiner Meinung nach nicht richtig. So kommt der
Eindruck auf, daß in den USA sich kein Mensch damit
beschäftigt. Dem ist eben nicht so. Ich finde, die Welt hat das
Recht, die ganze Wahrheit zu erfahren.
Ullrich Pilz
Zum Artikel „Geht doch nach Paris, wenn's euch hier nicht paßt!"in scheinschlag 3/07
Ich teile voll und ganz die Kritik der Autorin an dem
widerlichen PR-Gewäsch für hochpreisige Eigentumsklötze
und die damit einhergehende Gentrifikation des Bezirks. Ich teile auch
die radikale Stilkritik in bezug auf solche Fake-Architektur, wie sie
sich in dem „Palais Kolle Berlin" manifestieren. Was ich
allerdings erschütternd finde, ist die offensichtlich
neidmotivierte Haltung der Autorin Lindström in bezug auf einige
Bewohner im Kiez und ihr provinzieller Wunsch nach dem
überschaubaren, monokulturellen Klein-Klein. Der Text strotzt vor
billigen Sozialklischees. Lindström zeigt in etwa so viel
Offenheit und Gelassenheit für Veränderungen wie ein
Vorgartenbesitzer eines Bielefelder Reihenhauses. Eine solche Polemik
auf der Titelseite einer Zeitung zu finden, bei der man sich bisher auf
die ausgewogene Darstellung der Vorgänge im Kiez immer verlassen
konnte, ist schade.
Lindström ist genervt von den „Yuppies" und
„Dinks" und „Bobos" und „DigiBos" und wie die ganzen
Milieus inzwischen auch heißen. Okay. Aber wenn ich dann lese,
daß sie genervt ist, weil sie selbst „am nächsten Tag
arbeiten gehen muß", dann erinnert das doch an den Nachbarn auf
dem Dorf, der rumnölt, wenn man abends laut Musik hört. Es
sind genau solche Leute wie Lindström, die sich aufregen, weil sie
anderen ihren Spaß nicht gönnen.
Aus dem Text springt ein erschrekkender Sozialneid
gepaart mit kleinbürgerlicher Wut auf „die da oben" an, es
klingt vorurteilsbeladen, klischeehaft, borniert. Doch was
Lindström als „typisch Prenzlauer Berg" beschreibt,
entspring wohl eher ihrer romantischen Erinnerungen an einen Prenzlauer
Berg, den es schon sehr lange nicht mehr gibt. Wie hätte sie es
denn gerne? Wieder ostig-bürgerbewegt oder studentisch oder lieber
nur Familien mit Kind oder doch nur sogenannte Künstler, die mit
Drehtabak am Tresen vom „Walden" hocken und die Welt
erklären?
Wenn Lindström die Veränderungen nicht mag,
die dort stattfinden, gibt es da eine einfache Lösung: wegziehen
statt den Märtyrer geben und billige Pamphlete verfassen. Geh doch
nach Bielefeld, wenn's dir nicht paßt!
Christian Westheide