Ausgabe 05 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Leserbriefe Zum Interview „Angst ist ein gutes Herrschaftsinstrument, aber ein schlechter Ratgeber" in scheinschlag 3/07

Klima und Atmosphäre verändern sich weltweit, u.a. durch den vom Menschen verursachten Ausstoß von Kohlendioxid aus fossilen Brennstoffen. Anfang 2007 wurde endlich dieser Zusammenhang und das Risiko von verheerenden ökologischen Folgen (z.B. weltweite Erwärmung, Ansteigen des Meeresspiegels, Versauerung der Meere) von der Mehrheitspolitik anerkannt ­ ein spätes und langsames Umsteuern ist immerhin in Sichtweite.

Und was macht der scheinschlag? Interviewt die „Zweifler" Dirk Maxeiner und Michael Miersch. Dieses Autorenteam hat seit längerem seine publizistische Marktlücke im Eindreschen auf „Gutmenschen" und „Öko-Aktivisten" gefunden und gefällt sich im Formulieren kruder Plattheiten gegen den „politisch korrekten" Mainstream. Ein paar Kostproben: „Die Globalisierung ist eine Befreiungsbewegung für die Dritte Welt", „Dialog der Kulturen ist, wenn die eine Seite Respekt predigt und die andere Botschaften anzündet." Und nun also als neues Thema die „Klimahysterie", mit unwissenschaftlichen Argumenten à la „Aber am Südpol gibt es keinen Trend zur Erwärmung" oder dem sinnfreien Gegeneinander-Ausspielen von Klimaschutz und „tausenden sterbenden Kindern".

Warum der scheinschlag dafür ein Forum bietet, ist mir schleierhaft. Werden wirklich „Widerworte zur Pflicht", nur weil krude Thesen von der überwältigenden wissenschaftlichen Mehrheit abgelehnt werden? Dann bin ich ja auf die nächsten Interviews mit Kreationisten und Holocaust-Leugnern gespannt. 

Achim Schröer

Zum Artikel „Auf der Suche nach der Lieblingswahrheit" in scheinschlag 4/07.

Wenn einige junge Amateure versucht haben, mit ihren stümperhaften Nachforschungen etwas Geld zu verdienen, so haben sie doch eines erreicht, nämlich die Öffentlichkeit auf Dinge aufmerksam zu machen. Sicher haben sie nichts Seriöses abgeliefert (konnten sie auch mit ihren Mitteln nicht), aber sie haben dazu beigetragen, daß berechtigte Fragen gestellt werden. Mittlerweile beschäftigen sich auch ernstzunehmende Menschen mit dem Thema.

Schauen Sie sich doch einmal den Film in Ruhe an. Das können doch nicht alles Spinner und Idioten sein. Außerdem gibt es genügend Bildmaterial, das alleine vom Anschauen auffordert, Fragen zu stellen. Physikalische Gesetze sind ebenso wenig zu umgehen wie die Tatsache, daß Filmmaterial aus den Medien nicht zu manipulieren ist.

Auf jeden Fall hat die Bush-Regierung in meinen Augen nicht dazu beigetragen, die offenen Fragen zu beantworten. Untersuchungen nach einem Flugzeugabsturz werden besser und gründlicher durchgeführt als die zum 11.September 2001. Vor dem Hintergrund, daß Bush die Welt in vieler Hinsicht belogen hat, muß er sich nicht wundern, wenn ihm heute kein Mensch mehr traut. Zu behaupten, daß die sogenannten Verschwörungstheorien gerade in Europa so populär sind, finde ich recht gewagt und meiner Meinung nach nicht richtig. So kommt der Eindruck auf, daß in den USA sich kein Mensch damit beschäftigt. Dem ist eben nicht so. Ich finde, die Welt hat das Recht, die ganze Wahrheit zu erfahren.

Ullrich Pilz

Zum Artikel „Geht doch nach Paris, wenn's euch hier nicht paßt!"in scheinschlag 3/07

Ich teile voll und ganz die Kritik der Autorin an dem widerlichen PR-Gewäsch für hochpreisige Eigentumsklötze und die damit einhergehende Gentrifikation des Bezirks. Ich teile auch die radikale Stilkritik in bezug auf solche Fake-Architektur, wie sie sich in dem „Palais Kolle Berlin" manifestieren. Was ich allerdings erschütternd finde, ist die offensichtlich neidmotivierte Haltung der Autorin Lindström in bezug auf einige Bewohner im Kiez und ihr provinzieller Wunsch nach dem überschaubaren, monokulturellen Klein-Klein. Der Text strotzt vor billigen Sozialklischees. Lindström zeigt in etwa so viel Offenheit und Gelassenheit für Veränderungen wie ein Vorgartenbesitzer eines Bielefelder Reihenhauses. Eine solche Polemik auf der Titelseite einer Zeitung zu finden, bei der man sich bisher auf die ausgewogene Darstellung der Vorgänge im Kiez immer verlassen konnte, ist schade.

Lindström ist genervt von den „Yuppies" und „Dinks" und „Bobos" und „DigiBos" und wie die ganzen Milieus inzwischen auch heißen. Okay. Aber wenn ich dann lese, daß sie genervt ist, weil sie selbst „am nächsten Tag arbeiten gehen muß", dann erinnert das doch an den Nachbarn auf dem Dorf, der rumnölt, wenn man abends laut Musik hört. Es sind genau solche Leute wie Lindström, die sich aufregen, weil sie anderen ihren Spaß nicht gönnen.

Aus dem Text springt ein erschrekkender Sozialneid gepaart mit kleinbürgerlicher Wut auf „die da oben" an, es klingt vorurteilsbeladen, klischeehaft, borniert. Doch was Lindström als „typisch Prenzlauer Berg" beschreibt, entspring wohl eher ihrer romantischen Erinnerungen an einen Prenzlauer Berg, den es schon sehr lange nicht mehr gibt. Wie hätte sie es denn gerne? Wieder ostig-bürgerbewegt oder studentisch oder lieber nur Familien mit Kind oder doch nur sogenannte Künstler, die mit Drehtabak am Tresen vom „Walden" hocken und die Welt erklären?

Wenn Lindström die Veränderungen nicht mag, die dort stattfinden, gibt es da eine einfache Lösung: wegziehen statt den Märtyrer geben und billige Pamphlete verfassen. Geh doch nach Bielefeld, wenn's dir nicht paßt!

Christian Westheide

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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