Kältere Schichten der Vernunft
Die Autorin Antje Strubel, die sich zur Anregung der
Phantasie noch den Zweitnamen Rávic zugelegt hat, ist eine noch
nicht allzu bekannte Schriftstellerin der jüngeren Generation.
Für diejenigen, die sich mit der Literaturszene beschäftigen,
besitzt Strubel aber durchaus Bekanntheit, immerhin hat sie bereits
mehrere Literaturpreise abgeräumt. Die Lesung ihres neuen Buchs
war entsprechend wohl besucht.
Strubel kann sehr süffig schreiben, ohne banal zu
sein; einmal angelesen, legt man ihren kürzlich erschienen Roman
Kältere Schichten der Luft nur ungern wieder weg. Am Ende
vermittelt er einem das Gefühl, daß er ruhig noch ein
bißchen hätte weitergehen können.
Das Buch handelt von der Selbstverortung und -erfindung
ausgestoßener Existenzen. In einem Kanucamp in Schweden treffen
sich ehemalige DDR-Bürger, denen die Wende keine neue Perspektive
bot. Das Camp erscheint dabei als ein Ausweg aus einer aufgabenlosen
Existenz. Hier nun trifft die Ich-Erzählerin Anja auf eine
geheimnisvolle Schönheit, die ihren Namen nicht preisgibt und auch
sonst wenig von ihrer Geschichte erzählt, dafür aber sehr
gekonnt Anja in eine Leidenschaft einspinnt. Doch bevor die
Leidenschaft entfacht, müssen Fragen der eigenen Identität
geklärt werden.
Kunstvoll entwickelt Strubel die Suche nach dem
Augenblick des Glücks, der mit zuviel Wissen um die Vergangenheit,
die eigene und die der anderen, nicht zu haben ist. Am Ende steht die
tödliche Auseinandersetzung mit einem Mitglied des Camps, das die
beiden Frauen neidisch beobachtet hat. Die Autorin thematisiert
lesbische Beziehungen, die in der Öffentlichkeit latenter
Aggressivität ausgesetzt sind. Am Ende entpuppt sich die
Geschichte als eine Vision, die sich nicht einlösen
läßt. In den kälteren Schichten der Vernunft
läßt sich eine anheimelnde Traumvision vom Sein nicht leben.
Inett Kleinmichel
Antje Rávic Strubel: Kältere Schichten der Luft. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2007. 17,90 Euro.