Ausgabe 03 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Wie in einem Zombiefilm

Ein Insider-Bericht von der Erotikmesse „Venus"

Ich habe insgesamt fast drei Jahre bei der „Venusmesse" gearbeitet. Angefangen habe ich als Bildbearbeiterin – auf Vermittlung einer Promotionagentur. Weil sie zu der Zeit noch keinen für die Pressestelle hatten, hab ich mich da nebenbei langsam eingearbeitet und wurde irgendwann einfach zum Pressesprecher erklärt. Zur Messe kamen natürlich alle, SZ, FAZ, Spiegel – die haben sich da einen Spaß draus gemacht, war ja ein dankbares Thema. Für die Fachpresse mußte ich mit ganz schön heftigen Formulierungen um mich schmeißen, „Vulkan der Lust" und so was. Ich hab versucht, ein paar Anregungen zu geben, wie man es alles etwas weniger schäbig präsentieren kann, aber da bestand kein Interesse. Ich mußte mich auch um die Sternchen kümmern – ich kam mir teilweise vor wie eine Puffmutter. Nur die wenigsten Frauen wirkten so, als ob sie das souverän im Griff haben; die meisten kamen aus Osteuropa und standen unter Drogen, viele sahen schon ein Jahr später bei der nächsten Messe körperlich extrem fertig aus. In der offiziellen Darstellung kommt das dann alles ganz harmlos rüber. Klar hab ich auch so geschrieben, man verinnerlicht die offizielle Version ja völlig.

Mir war es unangenehm, über die Messe zu laufen, und ich war immer bis oben hin zugeschnürt. Wenn ich so normal gekleidet mit den Ausstellern und Journalisten zu tun hatte, hab ich als Frau für die überhaupt nicht mehr existiert. Nicht, daß ich ständig angegraben werden möchte, aber wenn das plötzlich wegfällt, merkt man, wie wichtig dieses Element eigentlich ist. Zumal einem auch nicht mit dem gleichen professionellen Respekt begegnet wird wie den Männern.

Das hat dann, glaube ich, auch dazu geführt, daß viele meiner Kolleginnen, die genauso zufällig wie ich zu dem Job gekommen waren, irgendwann anfingen, ihren Kleidungsstil zu ändern und sich diesen Maßstäben anzupassen. Überhaupt geht das alles nicht spurlos an einem vorbei, du merkst, wie du dich veränderst, wie du sarkastisch und gereizt wirst. Man weiß zwar, worauf man sich einläßt, wenn man da anfängt, aber natürlich sieht man auf den Messen Sachen, auf die man nicht vorbereitet ist, die einen schocken oder überfordern. Ich war oft angewidert. Um damit fertig zu werden, hab ich mit zwei befreundeten Kolleginnen nach der Arbeit eigentlich ständig über unsere Erlebnisse geredet. Wir haben einen ziemlich verzweifelten Humor entwickelt, um irgendwie einen gesunden Abstand zu wahren.

Das wurde für die Chefs irgendwann zu einem echten Problem: Die stecken da seit Jahren drin, und es ist ihr Leben. Also wollten sie ab einem gewissen Punkt, daß man Farbe bekennt. Uns haben sie ein paar Monate nach der ersten „Venus" in eine Tabledancebar von unserem Chef geschleppt und haben ein paar Mädels (!) bestellt, die dann über uns drüber gerutscht sind, und wir sollten mit denen aufs Zimmer gehen. Mein Chef, mit dem ich mich bis dahin wirklich gut verstanden hatte, war plötzlich ein anderer Mensch ­ ich kam mir vor wie in einem Zombiefilm. Als ich sagte, ich kann das nicht, ging er zum Angriff über, und machte mich an, ich wäre ja so fad. Ich hab das am nächsten Tag im Büro zur Sprache gebracht, und ab dann ging es abwärts. Obwohl ich eigentlich sofort kündigen wollte, habe ich die nächste Messe noch mitgemacht ­ ich wollte meinen Chef trotz allem nicht auflaufen lassen. Es war eine schreckliche Zeit, ich war fix und fertig, auch gesundheitlich. Aber ich hatte auch Angst, ohne Job dazustehen.

Heute weiß ich nicht, ob ich diese Sache erwähnen soll, wenn ich mich bewerbe. Ich weiß nicht mehr, wie ich früher reagiert hätte, wenn mir jemand so einen Lebenslauf präsentiert hätte – vielleicht hätte ich es auch irgendwie cool oder ein bißchen exotisch gefunden. Aber im Nachhinein kann ich das nicht mehr so sehen, denn ich weiß ja, wie es war. Das ist nichts Verrücktes, was man mal gemacht hat. Es hat mit Lockerheit nichts zu tun. Es ist leider so platt und schäbig, wie man es sich vorstellt, da kann ich auch nichts gerade rücken.

Aufgezeichnet von Elske Rosenfeld

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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