Ausgabe 03 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Mit Laptop und iPod

Der moderne Backpacker rüstet sich etwas anders aus als sein Vorgänger

Laptop statt Rucksack, iPod statt Gitarre und GPS statt Landkarte – Reisen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Legten die alten Backpacker noch wert auf spärliche Ausstattung für einen enthaltsamen und naturnahen Urlaub, ähneln ihre Nachkommen mehr einem Astronauten als einem Pfadfinder. Die sogenannten Flashpacker möchten auch in den Ferien nicht auf zeitgemäße Technik verzichten und ziehen mit beinahe ihrem gesamten elektronischen Hausrat durch die Großstädte.

Prototypen dieser neuen Spezies von Urlaubern sind mit Sicherheit auch John und Susan aus Neuseeland. Erste Station ihrer achtwöchigen Europatour war ein Neuköllner Klamottendiscounter: „Der Technikkram nahm mehr Platz im Rucksack weg als unsere Wäsche; wir hatten einfach nicht genug zum Anziehen für das Wetter hier", schildern sie ihr Problem. Neben den üblichen Begleitern des Alltags wie Laptop, Handy und MP3-Player gehören ein sprachgesteuertes Übersetzungsgerät, ein satellitengestützter Routenplaner sowie ein solarbetriebenes Ladegerät für unterwegs zu ihrem Equipment. Und dabei sind sie keineswegs Computernerds, die den ganzen Tag im Hotelzimmer sitzen und sich die Zeit mit Unterhaltungselektronik totschlagen. Die Flashpacker nutzen den Kram vielmehr für die aktive Planung und Durchführung ihres Urlaubs: Stadtführungen lassen sich aus dem Internet als Film- oder Tondateien, als Podcasts herunterladen und auf dem Handy oder elektronischen Terminplaner speichern, um die Route dann in Realität nachzulaufen. Mit digitalen Stadtplänen für handliche Navigationsgeräte lassen sich auch versteckte Attraktionen zielgenau erreichen. Ihre Urlaubserfahrungen und Reisetips tauschen die Flashpacker über Blogs aus. Die sind im Gegensatz zu Reiseführern immer aktuell und authentischer, da sie von Gleichgesinnten geschrieben wurden.

Auch die Unterkünfte stellen sich auf die neuen Hightech-Touristen ein. „Man geht halt mit der Zeit", meint Neil Nadarajah, Betreiber des Berliner Jetpak City Hostel, mit dem er kürzlich gar den „Hoscar" gewann, eine Art Oscar der Branche. „Travel 2.0 in the Hostelling World" lautete das Motto der diesjährigen Preisverleihung beim internationalen Hostelverband, der den Berliner für die Flashpackerfreundlichkeit seines Ladens honorierte.

Wo der Name für den neuen Urlaubertyp herkommt, kann Nadarajah auch nicht so genau sagen. Der Begriff hat sich halt etabliert, um eine Klientel zu beschreiben, die nach wie vor überwiegend aus Schülern und Studenten zwischen 20 und 25 Jahren besteht, aber mit einer ganz anderen technischen Ausstattung unterwegs ist als vor ein paar Jahren noch. „Früher waren es nur 40jährige Geschäftsleute, die sich diese Technik leisten konnten, heute hat sie fast jeder", begründet er den Wandel bei der Kundschaft. Entsprechend ändert sich auch der Anspruch an die Unterkunft. Neben den fast schon obligatorischen Internetzugängen per WLAN gehören auch Computer mit Chipkartenlaufwerken zum Angebot, damit die Urlauber ihre Fotos von der Digitalkamera direkt auf CD brennen oder auf einen hosteleigenen Server laden können. Gefragt sind auch Aufladestationen für iPods und gängige Handymarken. Darauf legen die Flashpacker wert ­ vorbei sind die Zeiten, als man sich damit rumärgerte, daß das fernöstliche Ladekabel nicht in die Berliner Steckdose paßte. „Wir stellen Sachen zur Verfügung, die die Leute heute nutzen wollen", erklärt Nadarajah sein Konzept.

Angst, daß ihm die Kunden aufgrund der neuen Technik irgendwann ganz wegbleiben könnten, hat er nicht. Zwar sind Stadtrundgänge schon mit Google Earth von zu Hause aus möglich, in den Urlaub fahren wollen die meisten Menschen aber irgendwie dennoch. Und trotz der ganzen Technik geht noch nicht einmal die alte Jugendherbergsatmosphäre drauf. Die ist Nadarajahs Meinung nach immer noch der Hauptgrund, warum die Leute überhaupt in ein Hostel kommen und sich nicht in einer Pension einquartieren. „Es geht um Kommunikation und eine gewisse Art, Urlaub zu machen", meint er. „Der Rest ist Nebensache." Fast wie bei den alten Backpackern.

Philipp Mattern

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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