Ausgabe 03 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Die öffentliche Privatheit

„Urban Interface" versucht Schnittstellen und Grenzbereiche ausloten

Wer sich in den innerstädtischen Bezirken bewegt, bemerkt unweigerlich, daß die Gestaltung des öffentlichen Straßenraums längst nicht mehr allein in der Hand von Behörden, Hausbesitzern und Werbedesignern liegt. Immer mehr selbsternannte Künstler verewigen sich an Wänden und Masten, spontan werden freie Flächen in Beschlag genommen. Zudem vermischen sich in manchen Gegenden von Mitte die zur Schau gestellte Obsession und Kreativität mit einer hinter den Schaufenstern penetrant wuchernden Galerienszenerie. Manch einer freut sich beim stinknormalen Gang zum Bäcker über die visuellen Zeichen, die ihn aus dem Alltagstrott reißen, wieder andere wenden sich angewidert ab. Wo es hingegen nicht so „hip" ist, so im Wedding, bleibt das an die Wand Gekritzelte kühl und fremd, und ausgestellt wird nirgends.

„Urban Interface" heißt nun ein Projekt, das künstlerisch an der Schnittstelle von öffentlichem und privatem Raum sowie im Grenzbereich zwischen Mitte und Wedding agieren will. Laut Projektleiterin Susanne Jaschko grenzen hier mit dem „Kunst- und Kommerzbezirk" Mitte und dem „sozialen Brennpunkt" Wedding zwei völlig verschiedene Lebenswelten aneinander, und somit auch verschiedene private Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit.

Die Künstlerinnen und Künstler, welche für „Urban Interface" acht unterschiedliche Arbeiten ausstellen, suchte Jaschko anhand ihrer Problematisierung von Öffentlichkeit aus. Da soll es z.B. eine tragbare Webcam im Auge eines seltsam anmutenden künstlichen Kopfes geben, der von wechselnden Personen herumgetragen wird. Die Webcam selbst wird ferngesteuert über SMS aktiviert. Private Wege würden so auf von außen gesteuerte Weise öffentlich gemacht. Auf dem Mauerstreifen will man Straßenlaternen mit Bewegungsmeldern koppeln, so daß sie beim Näherkommen ausgehen, beim Stehenbleiben jedoch wieder aufflammen ­ ein beklemmendes Gefühl des Beobachtetwerdens soll sich einstellen.

Spannend klingen vor allem jene Projekte, die unerwartete Handlungen und Ereignisse in den öffentlichen Raum tragen und auf Reaktionen von Passanten hoffen. Ob es jenseits der mehr oder weniger anregenden Erfahrung gelingen wird, auf schwammige Grenzbereiche zwischen Privatheit und Öffentlichkeit zu verweisen, bleibt fraglich. Auch die Kontrastierung und Zusammenführung der verschiedenen einbezogenen Stadtviertel erscheint, jenseits der üblichen schubladenhaften Zuschreibungen im Ankündigungstext, reichlich vage.

Die Ausstellungsmacher veröffentlichen schon jetzt ihren eigenen organisatorischen Prozeß per Blog im Internet. Dort ist zu erfahren, daß das anvisierte Konzept, an öffentlichen Parkanlagen und Spielplätzen Bauschilder fiktiver, seltsam monströs erscheinender Immobilienprojekte anzubringen, ausgerechnet von der Kommission für Kunst im Stadtraum des Großbezirks Mitte als zu „provokativ" abgelehnt wurde.

Inett Kleinmichel/Tobias Höpner

Ab 5. April: www.urban-interface.net

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