Ausgabe 02 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Mit Ehrlichkeit punkten

Die Berliner Rap-Szene befreit sich
von ihrem schlechten Ruf

Foto: Thomas Krüger

HipHop-Musik aus Berlin hat einen schlechten Ruf. Dümmliche und peinliche Texte in Verbindung mit kalten und synthetischen Beats sind kein gutes Aushängeschild. Davon haben sich weite Teile der Berliner Rap-Szene in letzter Zeit emanzipiert und dadurch neue und anspruchsvolle Zielgruppen erschlossen.

Während sich fast ausschließlich heranwachsende Knaben zwischen sieben und 14 Jahren für die mitunter stumpfen Texte der Aggro-Berlin-Rapper und deren musikalische Trittbrettfahrer begeistern, freut sich die Generation der über 20jährigen über das neue Erstarken von HipHop mit musikalischem Anspruch und Geist aus der eigenen Stadt.

Jüngstes Beispiel für diesen Trend ist das frisch gegründete Rap-Plattenlabel Spoken View aus Prenzlauer Berg. Dessen Künstler Mister Mick, Sir Serch, Damion Davis und DJ V. Raeter haben sich ein hohes Ziel gesetzt: Sie wollen anspruchsvolle Musik für Augen und Ohren machen und damit Bewegung in das miserable Rap-Image der Stadt bringen. Das Verlangen danach ist groß. „Wir sind selber überrascht, wie sehr wir mit unserer ersten Veröffentlichung eine Lükke gefüllt haben", sagt der Sprecher von Spoken View Records, Martin Pohle. Diese Art von HipHop sei für viele Rap-Fans eine Erleichterung gewesen.

Keiner der Künstler ist ein wirklicher Newcomer. Alle veröffentlichen im „Untergrund" seit knapp zehn Jahren regelmäßig Tapes in kleinen Auflagen und treten auf Berliner Bühnen auf, doch den großen Durchbruch haben sie bisher weder gewagt noch geschafft. „Ich habe knapp drei Jahre nach einem Label gesucht", gesteht der Vollblutmusiker Mister Mick ein, „erst vor kurzer Zeit habe ich mich mit meinen Freunden dazu durchgerungen, alles in die eigene Hand zu nehmen." Resultat war das eigene Label Spoken View.

Plötzlich wird die Musik zum Selbstläufer. In Internetcommunities wie Myspace oder StudiVZ sprießen virtuelle Fanclubs wie Pilze aus dem Boden. Meist sind es Studierende zwischen 18 und 27 Jahren mit Neigung zu HipHop und elektronischer Clubmusik, die sich für Micks jazzige Beats und seine atmosphärischen Raps begeistern.

Eine etwas andere Klientel erreicht der in Berlin Mitte lebende MC Gauner. Auf HipHop-Bühnen steht er seit 1992. Für sein erstes Album In Wirklichkeit Träumer hat er sich viel Zeit genommen. Erschienen ist es auf P-Pack-Records, einem Label, das in der undogmatischen Linken Kreuzbergs verwurzelt ist. „Mein Publikum ist hungrig nach Rap, der nicht mit dem klassischen Gangster-Image spielt", sagt Gauner überzeugt. Seit einigen Jahren tritt der 32jährige nicht nur bei klassischen HipHop-Veranstaltungen, sondern auch bei Poetry Slams auf und stößt mit seiner verspielten Wortgewandtheit in der Slammer-Szene auf ein durchweg positives Echo. Seine Songs leben wie die von Mister Mick von einem hohen Maß an Authentizität und Ehrlichkeit.

Wer sich nicht in Klischee-Schubladen einordnet und sich gibt, wie er ist, sammelt Sympathiepunkte beim Publikum. Diese Erfahrung hat der Chef des Kreuzberger HipHop-Labels Royal Bunker, Marcus Staiger, gemacht. Zugpferd seiner Plattenfirma ist zur Zeit die noch recht junge Rap-Gruppe K.I.Z., die Staiger gern mit den Ärzten vergleicht. „Die Jungs kommen aus der HipHop-Szene, werden aber von Punks gefeiert", sagt der Boß des Independentlabels. In seinen Augen sind die persönliche Ausstrahlung, Liebe und Leidenschaft zur eigenen Musik, Aufgeschlossenheit und Ehrlichkeit, aber auch ein gesundes Maß an Selbstironie der Schlüssel zu den Herzen einer anspruchsvollen Hörerschaft und damit zum musikalischen Erfolg. Die ruhmreichen Tage von Deppen-Rap scheinen gezählt.

Jens Steiner

EWeitere Informationen unter: www.spokenview.com, www.gauner.de, www.royalbunker.de

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