Ausgabe 02 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Das irgendwie bekannte System aus Hilfe und Repression

Die Neuverfilmung eines Romans von Philip K. Dick überzeugt inhaltlich und ästhetisch

Fred ist ein Undercover-Agent für die Polizei, der die Drogenszene überwachen soll. Da er wie alle Agenten – der Film spielt „seven years from now" – eine Tarnkappe trägt, die ihn aussehen läßt wie einen Durchschnittstypen, kennt nicht einmal sein Vorgesetzter seine wahre Identität. Eines Tages erhält Fred einen schwierigen Auftrag: Er soll Bob Arctor überwachen, der verdächtigt wird, einen Drogenring zu leiten. Problematisch dabei ist nur, daß Bob Arctor Fred selbst ist. Von nun an gerät Fred/Bob in einen Strudel aus Halluzinationen und Ambivalenzen, die durch seine Doppelrolle ausgelöst wurden und die sein von der Droge Substance D zerfressenes Gehirn nicht mehr bewältigen kann. Was ist Wirklichkeit, was Einbildung?

Daß Fred/Bob nur eine Marionette ist, ist von Anfang an klar. Die Regierung hat eine Art „Krieg gegen die Drogen" ausgerufen, dessen Legitimation in Frage zu stellen bereits ein Verbrechen ist. Unterstützt wird sie dabei von der Hilfsorganisation New Path. Als Fred/Bob schließlich vom Dienst suspendiert wird, weil seine Drogensucht auffliegt, begibt er sich bei New Path in den Entzug. Dort entdeckt er, daß ausgerechnet New Path Substance D produziert: Die „Hilfsorganisation" schafft sich die Nachfrage nach ihrer Dienstleistung selbst, und auch die Regierung hat ein Interesse an der Sucht, um den Überwachungsstaat zu legitimieren. Das System aus Hilfe und Repression erhält sich selbst ­ irgendwie kommt einem das bekannt vor.

Philip K. Dick, auf dessen Roman das Drehbuch beruht, hat mit A Scanner Darkly seine eigenen Drogenerfahrungen und seine Angst, von der Regierung verfolgt zu werden, verarbeitet. Freunde starben den Drogentod, jemand brach in Dicks Haus ein, ohne daß erkennbar war, warum ­ war es die CIA? A Scanner Darkly ist deshalb beides, gegenwartsbezogene Science Fiction und Drogendrama. Und wie in vielen anderen vorangegangenen Stories taucht erneut der Grundgedanke auf, daß die Menschen, die keine Helden sind, sondern gebrochene Existenzen, sich in mehreren parallel verlaufenden Universen zurechtfinden müssen, ohne je genau zu wissen, welcher Rationalität sie sich zu unterwerfen haben.

Unter den zahlreichen Verfilmungen der Stories von Dick ragt diese heraus: Richard Linklater drehte einen ganz normalen Streifen mit Starbesetzung (u.a. Winona Ryder), der anschließend in einem aufwendigen Prozeß so nachbearbeitet wurde, daß nun eine Mischung aus echtem Film und Comic-Strip herausgekommen ist. Das ist reizvoll anzusehen. Die Hauptfigur ist mit dem schmächtigen, in sich gekehrten Keanu Reeves angemessen besetzt: Endlich mal wieder kein muskelbepackter Superheld wie in Total Recall oder Paycheck, wo Arnold Schwarzenegger und Ben Affleck durch ihre massigen Körper jeden psychologischen Tiefgang bereits im Ansatz verhinderten.

Bedauerlich ist nur, daß der Film, der nicht in den deutschen Kinos zu sehen war, nicht synchronisiert und die DVD auch nicht mit deutschen Untertiteln versehen wurde.

Benno Kirsch

„A Scanner Darkly " von Richard Linklater ist in allen guten Videotheken erhältlich.

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