Ausgabe 02 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Selbstverwaltung mit Tisch, Sofa, Platte

Möbelhaus Bethanien zwischen Profi-Kultur und Kiezwohnzimmer

Als der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im letzten Jahr nach dem Bürgerbegehren der Initiative Zukunft Bethanien (IZB) zustimmte, eine Privatisierung des teilbesetzten Bethanien zu stoppen und dort stattdessen ein „offenes künstlerisches, kulturelles, politisches und soziales Zentrum" zu entwickeln, dessen Betreibermodell sich zu alledem auch noch „am Grundgedanken der Selbstverwaltung durch die Nutzer" orientieren sollte, da waren einige Beobachter doch recht erstaunt ob dieses merklichen Einflusses einer außerparlamentarischen Initiative.

Bei einigen Nutzern des Bethanien, zuvorderst der Künstlerhaus Bethanien GmbH und der Druckwerkstatt, regte sich hingegen tiefgreifendes Mißfallen, als ihr bevorzugtes Modell eines „kulturellen Gründerzentrums" in privatwirtschaftlicher Hand durch das Bürgerbegehren zu Fall gebracht wurde. Sie fürchteten um den professionellen Status des Hauses und sein internationales Renommee, sollten mit schlecht designten Faltblättern wedelnde Hausbesetzer Einfluß auf die Entwicklung des Standorts Bethanien erhalten.

Nun jedoch waren alle Mieter und Nutzergruppen des Hauses auf sanften Druck des Bezirksbürgermeisters Franz Schulz (Grüne) angehalten, sich an einen von letzterem angeführten „Runden Tisch" zu begeben, um die Zukunft des Bethanien gemeinsam anzugehen. Die ersten Sitzungen des Runden Tisches waren von einem Nebeneinander aus grundlegender Kritik des Gegenübers, kleinlichen Vorhaltungen dieser und jener Formulierung in Flugblatt XY, Ordnungsrufen von Papa Schulz, Versuchen, die Auseinandersetzung in konstruktivere Bahnen zu lenken, sowie Ansätzen zur kurzfristigen Durchsetzung von Einzelinteressen geprägt. Da die Besetzer und die IZB am ehesten ein Scheitern der Gespräche befürchten müssen, die alteingesessenen Mieter jedoch auf der etwas sichereren Seite stehen, waren erwartungsgemäß die destruktiven und die eher konstruktiv gemeinten Beiträge ungleich verteilt.

Zwischendrin saßen jene Alt-Mieter, die sich nicht gleich den bereits genannten echauffieren mochten, wie z.B. Vertreter der Musikschule, des Kreuzberg Museums oder der Kita im Bethanien. Dagegen tauchten auch neue Akteure auf, die ebenfalls am Runden Tisch vertreten sind: Eine „Initiativplattform" (kurz: Iniplatte) versucht, unterschiedlichste, rund ums Bethanien kulturell, sozial und politisch aktive Gruppen zu versammeln und in den komplizierten Verhandlungsprozeß einzubinden. Das „Selbstverwaltete Offene Forum der AnwohnerInnen" (kurz: Sofa) wendet sich dagegen an Einzelpersonen, die das Bethanien mitnutzen und -gestalten wollen. Eine Gesuch des „Sofas", leerstehende Räume für kiezbezogene Aktivitäten nutzen zu können, wurde vom Runden Tisch jedoch bis auf weiteres vertagt. Bereits etablierte Mieter des Hauses befürchteten, neben den Besetzern könnten sich weitere nicht-künstlerische Gruppen im Haus festsetzen und so strategische Entscheidungen über das künftige Nutzungsprofil vorwegnehmen.

Kann es überhaupt zu einer Einigung zwischen den unterschiedlichen Interessen kommen? Sind die „professionellen" Nutzer aus dem Kunstspektrum bereit, an einem neuen Konzept mitzuwirken, in dem ihr Kunstbegriff nicht unangefochten an der Spitze steht? Und wann werden die Hausbesetzer und die IZB endlich eine öffentlich nachvollziehbare Auseinandersetzung in ihrem politischen Dunstkreis anstrengen, um dort undifferenzierten und dummen Äußerungen, professionelle Kunst sei per se elitär und somit abzulehnen, entgegenzutreten?

Solange in grundlegenden Fragen der gegenseitigen Anerkennung kein Aufeinanderzugehen erkennbar wird, hilft auch geschickte Rhetorik nicht weiter. Und der Herr Bürgermeister, der sich augenscheinlich viel – zuweilen autoritär anmutende – Mühe gibt, den Prozeß voranzutreiben, wird sonst früher oder später an jenen Punkten scheitern. Dann wäre das spannende Experiment eines offenen Aushandlungsprozesses bald am Ende, statt womöglich zum Vorbild auch anderer stadtpolitischer Initiativen zu werden.

Tobias Höpner

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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