Ausgabe 01 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Reise an den Rand des Euro

In Berlin kann man mancherorts mit Regionalgeld bezahlen

Wir befinden uns im Jahr 2007. Ganz Europa ist vom Euro besetzt ... ganz Europa? Nein! Vielerorts bilden sich Initiativen, die mit Regionalgeld den Euro ergänzen. Denn diese Komplementärwährungen sollen die regionale Wirtschaft fördern und zu ökologischem, sozialem und nachhaltigem Wirtschaften führen, da im kleinen Rahmen die Produktionsbedingungen überschaubar bleiben und demokratisch verändert werden können. Außerdem sollen „leistungslose Einkommen", die durch Geldhortung für Spekulation oder Verleihung gegen hohe Zinsen entstehen, verhindert werden. Denn ähnlich wie ein Lebensmittel „verdirbt" Regionalgeld, wenn es nicht verbraucht wird. Es muß daher ständig zwischen Verkäufer und Käufer zirkulieren. Die Idee selbst stammt aus der Freiwirtschaftslehre, die schon Anfang des 20. Jahrhunderts entstand.

In Berlin gibt der im Jahr 2004 gegründete Verein Berliner Regional den Wertgutschein Berliner heraus. Bei jedem der über 220 Vereinsmitglieder kann mit den 1,5er- oder 10er-Coupons bezahlt werden. Mit drei Fälschungsmerkmalen versehen, wurden sie 2005 zum Selbstkostenpreis von der Bundesdruckerei geliefert. „Es ist uns ein Anliegen, die Bemühungen des Vereins zur Stärkung der lokalen Wirtschaft zu unterstützen," erklärt Ulrich Hamann das Engagement des ehemaligen Staatsbetriebs.

Der Umtausch von Euro zu Berliner erfolgt, wie bei fast allen deutschen Regionalgeldprojekten, zum Kurs von 1:1. Somit ist es bei ungeraden Beträgen möglich, mit normalen Euros aufzurunden oder Wechselgeld zu erhalten. Aber Achtung: Auf den Scheinen ist ein Verfallsdatum aufgedruckt! Wird der Gutschein nicht bis dahin ausgegeben, verliert er zwei Prozent an Wert und muß gegen einen gültigen Coupon umgetauscht werden. Die daraus entstehenden Einnahmen dienen der Kostendeckung für den auf Spenden angewiesenen Verein. Ein Rücktausch von Berliner zu Euro ist ebenso möglich. Hierfür wird eine Gebühr von fünf Prozent erhoben, von der drei an gemeinnützige Projekte gespendet werden.

Wer es selbst ausprobieren möchte, kann zum Beispiel die Wechselstube in coledampf's CulturCentrum aufsuchen. Hier erfährt man auch, daß der Berliner „Geld für intelligente Menschen ist", so der Inhaber Andreas Langholz, „weil die Nutzung ein Bewußtsein für Geld voraussetzt". Die Gespräche mit Berliner-Interessierten seien ihm sehr wichtig, denn somit werde „Geld zur Kommunikation". Das Wissen darum, daß er die Welt mitgestaltet, verschaffe ihm ein gutes Gefühl, und zusätzlich profitiere er auch von der Netzwerkbildung unter den Gewerbetreibenden. „Ich habe Kochtöpfe, andere die Kartoffeln," erklärt er, und die würden natürlich in Berliner bezahlt.

Der Praxistest ­ Einkauf zur rush hour in der BioCompany ­ beweist die Akzeptanz. Ohne einen verwirrten Blick nimmt der Kassierer meine Mischung aus Euro und Berliner entgegen. Zeit für eine kurze Frage bleibt auch nicht, schon zieht er die Einkäufe des nächsten Kunden über den Barcodeleser.

Im Café Enddorn beschreibt Olaf Adrian den typischen mit Berliner zahlenden Gast als „Stammkunden, zwischen 40 und 50 Jahre alt, meist mit Familie". Vor ein paar Jahren habe er über das oberbayrische Regionalgeld Chiemgauer gelesen und fand die Idee, eine eigene Währung im Berliner Kiez einzuführen, gut. „Leider beteiligen sich zu wenig Gewerbetreibende an dem Projekt, womit die Verbreitung zu gering ist." Seiner Meinung nach fehle dem Kunden ein klar erkennbarer Mehrwert, also ein Rabatt oder ähnliches. „Zur Zeit raschelt einfach nur zusätzliches Papier im Portmonnaie."

Obwohl die Grundprinzipien von Regionalgeld durchaus positiv sind, fehlt die Beteiligung etwa von Supermärkten, in denen man häufig einkauft; in Rosenheim kann man in allen Edeka-Läden mit dem 2003 eingeführten Chiemgauer bezahlen. Ein paar Tage nach dem Praxistest frage ich im 800 Meter entfernten alternativen Baiz-Café nochmal nach: „Warum wird hier kein Berliner Regional akzeptiert?" ­ „Von dem haben wir noch nichts gehört."

Sebastian Maria-Stein

www.berliner-regional.de

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 01 - 2007 © scheinschlag 2007