Ein Rettungsring für die Potsdamer Mitte
Wer in Potsdam, vom Hauptbahnhof kommend, das Stadtzentrum sucht,
stößt
kurz nach dem Queren der Havel auf eine weit offene Fläche mit
ausladenender
Straßenkreuzung. Dieses Fleckchen Land ist seit geraumer Zeit
wildesten
Auseinandersetzungen unterworfen, da dort, am früheren Alten
Markt,
einst das Potsdamer Stadtschloß gestanden hatte. Dessen
Gestaltung
drückte seinen Freunden zufolge „Esprit, Geist und
Sinnesfreude des
europäischen Rokoko" aus, fiel jedoch 1945 nach einigen
Bombenvolltreffern
den Flammen zum Opfer. Die verbleibenden Außenmauern wurden
1960
gesprengt.
In den letzten Jahren, da Potsdam inmitten der
brandenburgischen Ödnis
gemeinhin als Perle gefeiert wurde, führten die anschwellenden
Rufe
nach einem Wiederaufbau des alten Schlosses einerseits und die durchaus
auch verbreitete Skepsis gegenüber einer Historisierung und
ihren
Kosten andererseits zu einem Kompromiß einiger wesentlicher
Akteure:
Das Land Brandenburg möge auf dem alten Bauplatz des Schlosses
ein
den modernen Erfordernissen entsprechendes Landtagsgebäude
errichten,
das zum Alten Markt hin eine historisierende Fassade erhalte. Die
Landtagsschloßkoalition
wähnte sich in der Mehrheit, nur die PDS kündigte
Widerstand
an.
Nun fiel aber gerade dieser Kompromiß,
in einen Bebauungsplan
gekleidet der Stadtverordnetenversammlung zur Abstimmung vorgelegt,
unerwarteterweise
zweimal hintereinander durch. Krisenstimmung war angesagt, man sprach
von
einem „verheerenden Signal für private Investoren",
einer „städtebaulichen
Katastrophe" und der „endgültigen
Zerstörung der Potsdamer Mitte"
? kurzum: das Ende des Abendlandes war nahe.
Nun ersannen die örtlichen PDS-Vertreter,
die ohnehin gegen das
Schloß gestimmt hatten, den Plan, eine Art Urabstimmung unter
den
Potsdamer Bürgern durchzuführen. Da sie sich als die
am „meisten
basisverbundene Partei" ansah und in alter Tradition ohnehin zu wissen
meinte, wie das Volk tickte, erlitten sie angesichts der
überraschend
hohen Zahl von rund 43 Prozent, die für das
Landtagsschloß gestimmt
hatten, eine herbe Enttäuschung. Nun steht der Bebauungsplan
erneut
zur Abstimmung, und wir dürfen gespannt sein, ob die
Stadtverordneten
sich „dem Votum beugen" oder neue Begründungen
einfallen lassen werden,
um die Legitimität der Befragung ? eben ? in Frage zu
stellen.
Tobias Höpner