Ausgabe 09 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Monstermaß

Fembot: Can go to hell ­

Girl Monster: She can sing and she can dance ­ sometimes

So das Intro zu einer Dreier-CD-Box mit dem schlichten Titel Girl Monster. Zusammengestellt ist die Box von der Berliner Girl-Monster-Band Chicks on Speed, und die haben auf ihrer Kompilation Frauenbands und Sängerinnen versammelt, die beginnend mit Punk bis hin zu aktueller Avantgarde-Elektronik jenseits des Mainstreams musiziert haben. Fembots sind nach der Definition von Chicks on Speed Frauen, die sich den männlichen Produktionsbedingungen im Musikgeschäft unterworfen haben. Girl Monster hingegen sind Sängerinnen, die genau um diese Bedingungen wissen und diese konterkarieren und unterlaufen. Nun ist so eine Aufteilung zwischen böser Kulturindustrie und künstlerisch wertvoller Subkultur, wie wir durch die Cultural Studies wissen, nicht immer sinnvoll und haltbar. Schließlich taugten schon Stars wie Donna Summer, Tina Turner, Cyndi Lauper und selbst aktuell gecastete Girlie-Bands als positive Identifikationsfiguren.

Vor allem artikulieren sich diese Künstlerinnen oft in (un)freiwilligen Klischees und entfalten so eine gewisse subversive Energie. Wenn es aber um handfeste Dekonstruktion, fundierte Kritik und eindeutige Gegenmodelle geht, fehlt den Fembots einiges. Neben klaren radikalen inhaltlichen und künstlerischen Positionen tun sich die Girl Monster vor allem durch Vernetzung und selbstgeschaffene Strukturen hervor. Profitiert haben die Bands dabei von stark veränderten Produktionsbedingungen: Heute muß sich keiner mehr mit „nerdigen" Tontechnikern, teuren Studios oder ignoranten Labelmanagern rumschlagen. Die Digitalisierung revolutionierte nicht nur Produktion, sondern auch Vermarktung und Vertrieb. In zwei ausführlichen und leider nur auf Englisch verfaßten Mini-Booklets im Stil eines Fanzines sind genau diese Widersprüche und Entwicklungen dargestellt.

Das Beste an der Zusammenstellung ist die Vielschichtigkeit der Bands und Musikstile. Es geht hier nicht darum, einen festumrissenen Stil oder gar die Geschichte der feministischen Girl Monster zu erzählen, die zwischendurch auch mal gerne als Riot Grrrls bezeichnet wurden. Dementsprechend sind nicht nur die etablierten Größen, sondern auch unbekannte und junge Projekte versammelt. Es gibt Lücken, und an der ein oder anderen Stelle überrascht die Auswahl. So findet sich neben den radikalen musikalischen Positionen von Kevin Blechdrom, Planning to rock oder Peaches eben auch Eingängiges wie von Björk oder Soffy O. Insgesamt enthält die CD 60 Tracks ­ zum größten Teil bisher noch nicht veröffentlichten Material. Und obwohl drei CDs viel Platz bieten, blieb offensichtlich keiner für HipHop. Nicht nur aus diesen Grund darf man sich auf die bereits angekündigte Fortsetzung freuen.

Marcus Peter

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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