Ausgabe 09 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Aus Angst vor Partys

Die „Berlin Townhouses" werden als Trend angepriesen

Hier dürfte es sich ruhig und langweilig wohnen. Der Bürgersteig dürfte immer gekehrt sein; Team Green paßt 24 Stunden lang auf, und in die Staatsoper ist es ein Katzensprung. Hier, am Friedrichswerder, direkt gegenüber vom Auswärtigen Amt, dürfte es eine sympathische Nachbarschaft geben. Hier, in den „Berlin Townhouses".

Die „Townhouses" sind eine aufgemotzte Form des klassischen Reihenhauses und werden seit Mitte letzten Jahres auf einer Freifläche an der Französischen Straße in Mitte hochgezogen. Die Häuser sind sehr schmal, hoch und makellos verarbeitet, sie haben einen Garten und eine Terrasse. Werbetafeln auf dem Baustellengelände versprechen vollmundig Tiefgaragen und Weinkeller. In allerbester Gesellschaft von Auswärtigem Amt, Justizministerium, Staatsoper und anderem Wichtigem entsteht hier ein Wohngebiet für das vom Berliner Senat dringend herbeigesehnte „Bürgertum".

Es ist ein Modellprojekt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zusammen mit einem privaten Immobilienunternehmen. Und gleichzeitig ein Beispiel für eine neue städtebauliche Entwicklung. Denn die schicken „Townhouses" soll es bald auch woanders in der Stadt geben: Am Volkspark Friedrichshain werden bald 60 Häuser stehen, geplant sind außerdem Projekte auf dem Gelände des alten Schlachthofs in Friedrichshain, an der Bernauer Straße, längerfristig auch in der Luisenvorstadt und in Tiergarten. Die Immobilienfirmen versprechen ruhiges, zentrumsnahes Wohnen wie in London und Amsterdam. Auch in anderen Großstädten finden sich ähnliche Projekte. Ein „Trend" also, da sind sich alle einig, von Spiegel bis Morgenpost. Und preisen diese Stadtentwicklung in den höchsten Tönen: Junge Familien finden in den Häusern ruhigen Wohnraum im Zentrum. Früher zogen sie ins Umland, jetzt tue man endlich etwas gegen das Aussterben der Innenstädte, gegen die Zersiedelung des Umlandes. Auch das deutsche Institut für Urbanistik stellt eine „Renaissance" des innerstädtischen Wohnens fest. Und die zahlungskräftige „obere Mittelschicht" geht den Städten nicht mehr länger durch die Lappen.

Zwar sind nicht alle „Townhouse"-Projekte so luxuriös und klar auf die Bedürfnisse von Reichen getrimmt wie die am Auswärtigen Amt. Das Stadthausprojekt „Prenzlauer Gärten" am Volkspark Friedrichshain etwa soll dann doch auf die Bedürfnisse junger Akademikerfamilien eingehen, ein Häuschen soll dort für unter 300000 Euro zu haben sein. Die Firma hinter dem Vorhaben glaubt wohl aber trotzdem, daß die „jungen Familien" dort etwas zu verlieren haben: Nachts soll ein Tor das Gelände abschotten und verhindern, daß dort ungebeten Parties gefeiert werden.

Vielleicht ist es aber doch mehr als die Angst vor Parties, die das Planungsbüro dazu veranlaßt, ein Tor einzubauen. Vielleicht fehlt ja anderen Bürgern und Bürgerinnen etwas von den Dingen, die es zu schützen gilt? Denn neben dem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung forcierten Zuzug von zahlungskräftigen Stadtmenschen gibt es auch andere Trends.

Die kritische Stadtforschung nennt sie Gentrifizierung, Marginalisierung, sozialräumliche Segregation, Fahrstuhleffekt: Es wird hübsch sortiert ­ die Innenstädte für die „jungen Akademikerfamilien", die Ränder für den Rest. Und die Stadtentwicklungspolitik, die betrieben wird, arbeitet diesen Entwicklungen zu. Hartz-IV-Zwangsumzüge und der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus sind dabei die wichtigsten Beispiele. Am Ende könnte die Stadt eine Ansammlung von Inseln sein, in denen je nachdem Reichtum oder Armut, kulturelle Blüte oder trostlose Hoffnungslosigkeit herrschen werden.

Am Friedrichswerder freilich wird es schön bleiben. Der Hausmeister des Auswärtigen Amtes wird den Bürgersteig saubermachen. Die Polizei und die Überwachungskameras werden aufpassen. Alles wird schön und steril sein. Ganz schön langweilig. Und ganz schön beschissen.

Marco Gütle

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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