Ausgabe 08 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 


Foto: Erik Irmer

Mit allem, was dazugehört

Zu Besuch bei der Wasserschutzpolizei in Treptow

Die Räumlichkeiten, in denen Polizeihauptkommissar Jens Kruse den Besucher empfängt, sehen aus wie bei der Polizei: schlicht, ordentlich und vom Zahn der Zeit angenagt. Doch Kruse selbst sieht nicht aus, als wäre er ein Polizist. Er ist von imposanter Statur und trägt einen akkurat gestutzten Vollbart, die Hose marineblau, das Hemd mit den Schulterklappen blütenweiß – ein Seebär, wie man ihn sich vorstellt. Jetzt fehlt nur noch die entsprechende Mütze. Tatsächlich stammt Kruse aus dem Norden, aus Wilhelmshaven, und hat zeit seines Lebens immer mit dem Wasser zu tun gehabt. In seiner Jugend frönte er dem Ruder- und dem Segelsport, auch heute noch begeistert er sich in seiner Freizeit für das Bootfahren in Berlin und Umland. Jetzt ist er bei der Berliner Wasserschutzpolizei und versieht in der Treptower Wache seinen Dienst.

Die Wasserschutzpolizei ist eine der kleinsten Abteilungen innerhalb der Berliner Polizei. Mit ihren 203 Planstellen geht sie im Heer der annähernd 16000 Berliner Polizeibeamten fast unter. Und es werden vermutlich weniger werden, weil auch hier die Sparvorgaben für Personalabbau sorgen. Im letzten Jahr gab es keine Neuzugänge mehr, im nächsten sind ebenfalls keine zu erwarten, und ausgebildet wird hier ebenfalls nicht mehr. Ihr Aktionsfeld sind die Wasserwege, aber auch die Uferbereiche, zu denen sie mit PKWs gelangen.

Wer zur Wasserschutzpolizei will, muß mindestens fünf Jahre Berufserfahrung auf einem Abschnitt vorweisen. Nur so kann man sich für eine weitere zweijährige dienstbegleitende Ausbildung bei der Wapo qualifizieren. Auch Kruse kam nicht direkt hierher. Sein Weg führte ihn nach dem Abitur über den Bundesgrenzschutz in eine geschlossene Einheit nach Berlin. Nachdem er an der Fachhochschule studiert hatte, gelangte er 1998 schließlich zu seiner jetzigen Dienststelle.

So unbekannt die Wasserschutzpolizei einem normalerweise ist, so schnell wird sie einem vertraut. Ihre Aufgaben gleichen denen der Verkehrspolizei: Die Wasserpolizisten bringen Verkehrsrowdies zur Räson, sichern Sportveranstaltungen ab und kontrollieren Frachtschiffe. Bei letzterer Tätigkeit nähern sie sich dem Schiff, gehen an Bord und fahren ca. zwei Stunden mit, um Führerschein und Fahrtenschreiber zu prüfen, Rettungsringe und Feuerlöscher zu zählen und ganz allgemein nachzusehen, ob Betriebsvorschriften eingehalten werden. Der Kapitän muß nicht anhalten, damit ihm keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Die Auswahl der Kontrollen unterliegt der Erfahrung: Fehlt die Schiffsnummer? Fährt es Schlangenlinien? Aber auch die Boote, die bereits auffällig geworden sind, werden kontrolliert. Einmal in der Woche gehen Beamte mit einem Hubschrauber in die Luft, um die Gewässer von oben zu begutachten, denn Ölspuren kann man so besser erkennen.

Die Aufnahme in die Wapo sei begehrt, wie Kruse versichert, denn der Dienst sei nicht alltäglich, es herrsche eine angenehme Atmosphäre zwischen den Kollegen und den Menschen, mit denen man im Rahmen der Dienstaus-übung zu tun habe, es gebe viel Technik und auch die Uniformen seien wesentlich schicker als die der Kollegen auf dem Lande. Die Schattenseiten des Dienstes verhehlt er nicht: Tägliche Tierkadaverbergungen machten wenig Freude, und wenn ein Mensch in eine Schiffsschraube geraten sei oder Leichenteile angeschwemmt würden, müßten auch diese Erfahrungen irgendwie verarbeitet werden.

Die Vielfalt der Aufgaben und die insgesamt positive Atmosphäre entschädigen für derartige Unbill. Kruse erzählt, daß die Kontrollierten nie aggressiv seien, weil man wisse, daß man auf dem Wasser aufeinander angewiesen sei. Selbst die notorischen Sünder, die aus irgendeinem Grund immer wieder auffällig würden und deshalb schon öfters kontrolliert worden seien, verhielten sich ebenso. Am Beginn jeder Kontrolle werde zuerst einmal Kaffee ausgeschenkt.

Über die Gründe läßt sich nur spekulieren. Kruses Kollege Olaf Wedekind vermutet, daß die Uniform dazu beitrüge, die Atmosphäre um so viel entspannter zu machen als auf den Straßen. Das Grün-Beige wirke auf viele provozierend, und außerdem lege man bei der Wasserschutzpolizei größeren Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild. So werde z.B. lediglich bei starkem Wind die Mütze abgelegt. Aber auch die besondere Situation auf dem Wasser trüge zu der kooperativen Grundstimmung bei: Der Polizist sei von den Bootsführern durchaus stets gern gesehen, weil er häufig als Helfer in Erscheinung trete. Das ändere sich auch dann nicht, wenn man ihm zuvor eine Anzeige wegen eines Gesetzesverstoßes aufgedrückt habe.

Am Steg liegt gerade das 13,30 m lange Polizeilöschboot vor Anker, Spitzname „Eisvogel". Die Anschaffung hat sich längst amortisiert, denn das 1968 gebaute Schiff war eigentlich für eine Lebensdauer von 20 Jahren ausgelegt. Aber die Substanz ist noch gut, und vor vier Jahren hat es einen neuen Motor erhalten. Äußerlich durch den blauen Anstrich und das Blaulicht sowie eine nachträglich am Bug angebrachte Wasserkanone (um die Feuerwehr zu entlasten) als Dienstfahrzeug erkennbar, unterscheidet es sich im Innern wenig von anderen Schiffen dieser Größe. Lediglich ein Computer und der Radarschirm deuten darauf hin, daß hier keine Freizeitfahrten unternommen werden. Als weitere, verborgene Qualität hat es eine Schottel-Schraube, die 360° drehbar ist und das Wenden auf der Stelle erlaubt. Ein spartanischer Arbeitsplatz mit Mikrowelle und Spülstein für die beiden Beamten, die hier die Spree zwischen Oberbaumbrücke und den südöstlichen Berliner Seen in Zwölfstundenschichten bestreifen.

Doch auch wenn die Atmosphäre übereinstimmend als angenehm geschildert wird, ist dennoch nicht immer eitel Freude auf dem Wasser und an den Ufern. Die Beamten fahren stets bewaffnet auf Streife und wenden wie ihre Kollegen auf dem Land unmittelbaren Zwang an, z.B. wenn Fischwilderer sich einer Befragung oder Festnahme widersetzen. Auf dem Wasser kommt es zwar seltener zu Konflikten als auf dem Land, erzählt Wedekind, doch auf dem Wasser sind sie viel schwerer zu bewältigen. Denn während man früher noch zu dritt auf Streife gefahren sei, seien heute nur noch zwei Beamte an Bord. Weil einer stets zurückbleiben müsse, um das eigene Boot zu beaufsichtigen, müsse der andere allein mit der entsprechenden Situation zurechtkommen. Etwa einen Betrunkenen zu fesseln und ihm die Schwimmweste überzuziehen, sei unter diesen Umständen besonders schwierig. Außerdem sei das Boot wegen des Wellengangs ständig in Bewegung ­ und der Lauf der gezückten Waffe auch. Auch die schöne Wasserwelt könne recht häßliche Seiten haben, die deutlich machten, daß man immer noch Polizist sei ­ „mit allem was dazugehört."

Benno Kirsch

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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