Ausgabe 08 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

verwesung

Der Skandal um betrügerische Machenschaften mit Gammelfleisch zieht weite Kreise. Nun sollen die verrotteten Teile auch in Berlin angelangt sein. Wenn das so wäre, sollte niemand überrascht sein. Denn wenn der Döner in dieser Stadt so billig verkauft wird, wie er verkauft wird, bleibt es nicht aus, daß ein Glied in der Verwertungskette der Kuh seine Gewinnmarge durch die Verwendung verdorbenen Fleischs aufzubessern versucht. Wer sich von den Nachrichten nicht den Appetit verderben läßt, ist zu beneiden. Allen anderen kann man nur raten, weniger Fleisch zu essen und mehr Geld dafür auszugeben. Das würde die Rückkehr des Sonntagsbratens bedeuten. Warum eigentlich nicht?

verwahrlosung

Der Bürger, der abends nach Hause kommt und vor der Hofeinfahrt einen Einkaufswagen eines Lebensmitteldiscounters findet, ruft am nächsten Morgen bei der Hotline des Discounters an. Selbstverständlich, sagt die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung, werde man sich kümmern und den Wagen dahin bringen, wo er hingehört. Am nächsten Morgen steht der Einkaufswagen immer noch da. Der Bürger erinnert sich, daß es Ordnungsämter gibt, bei denen er sich schon immer gefragt hatte, welches ihre Aufgabe sein möge. Er wählt die Nummer des Amtes und schildert der Dame am anderen Ende der Leitung, wie er den Lebensmitteldiscounter dazu bewegen wollte, den Wagen wieder zu sich zu nehmen und was dabei herausgekommen sei. Meint die unfreundliche Dame: „Und nun?" Ah, ja. So wird der Bürger ganz en passant darüber aufgeklärt, daß die Rückführung im Straßenraum abgestellter Einkaufswagen offensichtlich nicht dazugehört.

verwirrung

Wahlergebnisse muß man auch richtig lesen können. Es wurde uns erklärt, daß ­ unter den etablierten Parteien ­ im Vergleich zur Wahl 2001 die SPD ein bißchen und die Grünen ziemlich viel zugelegt hätten. Doch wenn man die bei offiziellen Rechnungen üblichen Reduktionen einbezieht, ergibt sich ein anderes Bild. Die Partei der Nichtwähler hat um 10 Prozentpunkte auf 42 Prozent zugelegt, bezogen auf die Zahl der Wahlberechtigten. Die SPD dagegen ist in der Wählergunst um 2,4 Prozentpunkte auf 17,5 Prozent abgesackt, die CDU um 3,9 Prozentpunkte auf 12,1 Prozent, und die Linkspartei hat ihr Ergebnis sogar auf 7,6 Prozent halbiert. Nur die Grünen haben sich gesteigert: Um satte 22,2 Prozent haben sie ihr voriges Ergebnis übertroffen und liegen nun bei 7,5 Prozent aller Wahlberechtigten. Insgesamt aber hat der Vertrauensverlust in die Parteien dramatische Ausmaße angenommen, die die offizielle Statistik kaschiert.

selbstverwaltung

Zum Schluß noch eine gute Nachricht: Die BVV Friedrichshain-Kreuzberg hat dem Kompromiß der Initiative Zukunft Bethanien (IZB) und den Fraktionen von SPD, Linkspartei und Grünen zugestimmt und sich damit weitgehend den Forderungen des von der IZB angestoßenen Bürgerbegehrens angeschlossen ­ das endgültige Aus für Pläne einer kommerziellen Privatisierung des Hauses. Das Bethanien verbleibt in öffentlicher Hand als ein „offenes, kulturelles, soziales und politisches Zentrum" in Selbstverwaltung, was nicht nur einen gleichberechtigten Dialog aller Nutzer gewährleisten, sondern auch ein Schritt hin zur vollständigen Legalisierung der „NewYorck"-Besetzung sein soll.

termine

EWährend das Pflegepersonal streikt, lädt das Berliner Bündnis gegen Privatisierung ein, unter dem Motto „Gesundheitsreformen machen krank ­ Auf dem Weg in die Zwei-Klassen-Medizin" die derzeit laufende Umstrukturierung der Krankenhäuser zu debattieren. Am 6. Oktober um 19 Uhr in der Mediengalerie des Hauses der Buchdrucker, Dudenstraße 10, Kreuzberg.

EWer die Nase voll hat vom tristen Großstadtleben ­ oder einfach mal die Kinder loswerden will, dem winken die „Waldaktionstage" der BUNDjugend. An den Wochenenden 13.-15. Oktober und 24.- 26. Oktober werden in einem Wäldchen bei Zossen Einblicke in die sanfte Waldwirtschaft vermittelt. Für 10 Euro gibt es Unterbringung und Verpflegung. Anmeldung unter fon: 0331/9511971.

EAuf die Entstehung eines „Ausreisezentrums", will heißen: Abschiebelagers, will das Bündnis gegen Lager Berlin-Brandenburg hinweisen. Im Rahmen des globalen Aktionstages für Migration am 7. Oktober wird um 12 Uhr in der Friedrichstraße 90 gegen den von den Lagern profitierenden Freßpakete-Lieferanten Dussmann protestiert und ab 15 Uhr mit den Bewohnern vor der Motardstraße 101a in Spandau, U7 Paulsternstraße, gefeiert.

scheinschlag sucht

weiterhin Leute, die über Stadtpolitik schreiben können und wollen: Bezirkspolitik von oben wie von unten, Umstrukturierungen der Arbeitswelt, Stadtentwicklungstendenzen, außergewöhnliche Kulturprojekte, Herbstzeitlose oder den gesellschaftlichen Wandel in Berlin. Bei Interesse wendet euch bitte an die Redaktion,

fon: 28599063,

e-post: info@scheinschlag.de.

scheinschlag braucht

Stühle. Wer kann Schreibtischstühle und normale Stühle entbehren? Sie sollten funktionstüchtig, pflegeleicht und platzsparend, womöglich sogar formschön sein. Kosten sollten sie auch nichts. Bitte melden unter

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scheinschlag lädt ein

zum Offenen Autorentreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a. Über künftige Autoren, Fotografen und Illustratoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, den 14. Oktober, um 14 Uhr statt.

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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