Ausgabe 08 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Privatisierungsprofi

Die insolvente Marzahner Genossenschaft „Eigentum 2000" ist mitsamt ihrer fast 1300 Wohnungen an das Kölner Immobilienunternehmen Vivacon verkauft worden. Damit setzte der Berliner Senat seine Politik fort, die unter Bausenator Strieder gegründete Genossenschaft nicht weiter finanziell zu stützen. Nun freut sich Rot-Rot darüber, mit 50 Millionen Euro einen unerwartet hohen Verkaufspreis erzielt zu haben. Alternativ hätte das Insolvenzverfahren zu einer Rettung der Eigentum 2000 führen können, doch hätte das Land Berlin dann Kredite in Höhe von mindestens 10 Millionen Euro abschreiben müssen.

Es sieht also danach aus, daß ein Sieg der Haushaltspolitiker mal wieder zu einer Privatisierung von öffentlichen Wohnungsbeständen und zur Beschneidung der Selbstbestimmungsmöglichkeiten von Bewohnern geführt hat. SPD und Linkspartei stellen dabei als Erfolg heraus, daß immerhin die Genossenschaftsanteile der Mitglieder von Eigentum 2000 gesichert worden seien. Diese würden in Mietkautionen umgewandelt, allerdings nur dann vollständig erstattet, wenn die Betroffenen noch weitere fünf Jahre in ihren Wohnungen verbleiben.

Somit hängt für die Mieter viel davon ab, wie ihr neuer Eigentümer mit ihnen umgeht. Vivacon ist in Berlin kein Unbekannter. Das Unternehmen, das die Berliner Mietergemeinschaft als Privatisierungsprofi bezeichnet, hatte im letzten Jahr gut 1500 Wohnungen der GSW-Siedlung am Grazer Damm erworben. Über Modernisierungen und den Anbau von Balkonen wollte man dort Mieterhöhungen durchsetzen und den Wert der Siedlung steigern. Einen großen Teil der Wohnungen verkaufte die Vivacon in kürzester Zeit an eine andere Gesellschaft weiter.

Ob Vivacon bei den Marzahner Beständen ähnliche Geschäftspraktiken anwenden oder mit den bereits durchsanierten Wohnungen – hier sind schnelle Mietsteigerungen weniger leicht durchzusetzen – auf andere Weise verfahren wird, muß man wohl abwarten. Äußerungen des Insolvenzverwalters, die Mieter bräuchten keine Angst vor Mieterhöhungen zu haben, da der Investor an das Mietrecht gebunden sei, sind allerdings schwer nachzuvollziehen. th

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