Ausgabe 07 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Mein Konzept ist besser als deins

Zukunft Bethanien: Kulturtempel oder soziokulturelles Zentrum?

Wer schon einmal eine öffentliche Informationsveranstaltung besucht hat, dürfte das Spiel kennen: Vorne auf dem Podium sitzen geübte Redner, das Publikum besteht aus vielen stummen Zuhörern und einigen notorischen Wichtigtuern, deren Redebeiträge gern den Charakter von Co-Referaten annehmen. Sollte sich doch eine Diskussion über das betreffende Vorhaben anbahnen, so wird sie entweder dadurch im Keim erstickt, daß das Podium zu allem seinen Senf dazugibt, oder dadurch, daß die Moderation Meinungsbekundungen unterbindet und darauf verweist, es seien nur „Anregungen" erwünscht.

Wie auch immer – eine Meinungs-bildung innerhalb des Publikums ist bei solchen Veranstaltungen aufgrund der zugewiesenen Sprecherpositionen nicht möglich. Ein Austausch und eine Verständigung zwischen den Betroffenen wird verhindert, weiterführende Kritiken und Gegenvorstellungen können weder entwickelt noch artikuliert werden. Die Veranstalter des Theaters können also beruhigt und in ihrer Posi-tion bestärkt nach Hause gehen.

Als am 22. August die vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einberufene „AG Bethanien" ­ bestehend aus Vertretern von Parteien, Verwaltung, Mietern und Kiezinitiativen ­ ihr Konzept zur Zukunft des ehemaligen Krankenhauses am Mariannenplatz präsentierte, unterbot sie das übliche Niveau einer Informationsveranstaltung aber noch bei weitem.

Das Bezirksamt hatte zuvor eine Umwandlung des altehrwürdigen Gemäuers in ein privatwirtschaftliches „Kulturelles Gründerzentrum" vorangetrieben, bis ihm ein Bürgerbegehren der „Initiative Zukunft Bethanien" (IZB) die Pläne durchkreuzte. Das Bezirksamt schickte nun besagte AG Bethanien ins Rennen, um den Vorstellungen der IZB etwas entgegenzusetzen. Nun sollte das Konzept der AG also endlich der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Während die IZB den eher spärlich erschienenen Besuchern der Veranstaltung eine ansehnliche 60seitige Broschüre in die Hand drückte, worin sie ihr neues Konzept für „ein kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum von Unten" darlegte, waren die „Leitsätze" der AG Bethanien weder als Wandprojektion noch auf Handzetteln verfügbar. Die zahlreich erschienenen Vertreter der AG gaben ein zwar beachtliches, jedoch größtenteils wortkarges Podium ab. Die Moderation versemmelte sogar die Vorstellung des Podiums, kannte nicht alle Namen und vergaß einzelne Personen. Es entstand der Eindruck, man habe die Vorbereitung der Veranstaltung schlicht und einfach vergessen.

Ach ja, die Inhalte: Während die AG Bethanien dem Bürgerbegehren insofern zustimmte, daß sie eine Privatisierung des Bethanien ablehnt, so bleiben doch die altbekannten Widersprüche zwischen den künstlerischen Nutzern des Hauses und dem Bezirksamt auf der einen Seite und der IZB und den anderen Kiezinitiativen auf der anderen Seite bestehen: Die einen wollen ein vorzeigbares Haus, das sich der hohen Kunst widmet, ergänzt durch einige kulturelle Angebote, die sich an die Kiezbewohner richten; die anderen wünschen sich ein soziokulturelles Zentrum, das neben den bisherigen künstlerischen Nutzungen auch Räume für Anwohnerinitiativen und sozialpolitische Gruppen bietet.

Letztlich scheint es nach wie vor darum zu gehen, ob die Pläne von Künstlerhaus Bethanien GmbH und Konsorten, auch den zuletzt unvermieteten Teilen des Hauses ihren Stempel aufzudrücken, in Frage gestellt werden oder ob die einst eher für soziale Belange genutzten Räume in Zukunft wieder mehr auf die Augenhöhe des Stadtteils zurückgeholt werden. Bezirksamt und BVV müssen bis zum 5. September entscheiden, ob sie sich mit der IZB einigen oder ob sie es auf einen Bürgerentscheid ankommen lassen, der an den Wahlurnen ausgetragen würde.

Tobias Höpner

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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