Ausgabe 06 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Ein Fünf-Sterne-Hotel fürs Bezirksamt

Der Bezirk Mitte verhandelt über einen neuen Mietvertrag für sein Rathaus

Wenn es in Berlin etwas im Überfluß gibt, dann Bürogebäude. Immobilienspekulation und Bauboom haben in den 90er Jahren der Stadt ein neues Gesicht verpaßt. Auch der Senat mischte dabei kräftig mit, indem er zahlreiche seiner Liegenschaften auf den Markt warf. Dieses Schicksal ereilte z.B. auch das vom Bezirk Mitte als Rathaus genutzte Berolina-Haus am Alexanderplatz, das 1993 vom Senat verkauft wurde. Der Bezirk mußte sich um neue Räume bemühen und mietete sich 1998 im ehemaligen Hotel Berolina in der Karl-Marx-Allee 31 ein.

Dabei handelt es sich aber keineswegs mehr um das 1964 nach den Plänen des Architekten Josef Kaiser errichtete Gebäude. Das denkmalgeschützte Hotel mit einer Kapazität von 420 Betten war von der Trigon Unternehmensgruppe gekauft und 1996 abgerissen worden. Die Denkmalschutzbehörde hatte allerdings durchsetzen können, daß der Neubau in äußerer Form und Fassadengestaltung dem Hotel entsprechen müsse ­ deshalb ist das Gebäude mit denselben blauen Keramikplatten verkleidet, die schon für das Hotel Berolina charakteristisch waren.

Für seine neuen Räumlichkeiten muß der Bezirk nun allerdings dreimal so viel Miete zahlen wie für Bürogebäude in dieser Lage üblich. Jetzt soll außerdem noch das Gebäude Rosa-Luxemburg-Straße 14 verkauft werden. Das Straßen- und Grünflächenamt, das bisher dort seinen Sitz hatte, soll ebenfalls in die Karl-Marx-Allee ziehen.

„Millionen-Verschwendung" nennt das die Grünen-Fraktion der BVV Mitte und sieht Handlungsbedarf. Ihr Sprecher, Stephan von Dassel, glaubt, daß durch eine Aufgabe des Standortes Karl-Marx-Allee viel Geld eingespart werden könnte. Erst recht müßten alle Alternativen geprüft werden, bevor weitere Behörden in die Karl-Marx-Allee zögen. Von Dassel sagt, man bezahle mit 21,50 Euro pro Quadratmeter nicht nur eine überhöhte Miete für die Büroräume, sondern auch für ungenutzte Nebenflächen. Marktüblich seien ein Preis von etwa
6 Euro für Büroräume und etwa 3 Euro für Neben- und Bewegungsflächen wie Flure und Treppenaufgänge.

Dirk Lamprecht (CDU), Bezirksstadtrat für Wirtschaft und Immobilien in Berlin-Mitte, räumt ein, daß der Mietpreis zu hoch sei. Allerdings müsse man bedenken, daß 1998, als der Mietvertrag abgeschlossen worden sei, eine Mietstaffelung vereinbart worden sei. Natürlich sei der Bezirk an diesen Vertrag gebunden. 2008 werde er aber ohnehin auslaufen, deshalb befinde er sich bereits im Gespräch mit den Eigentümern der Karl-Marx-Allee 31, einer süddeutschen Fondsgesellschaft. Doch so lange die Verhandlungen liefen, wolle er keine Zahlen nennen. Außerdem seien von Dassels Angaben viel zu hoch gegriffen: „Ich weiß nicht, wie Herr von Dassel auf die Zahl von 21,50 Euro pro Quadratmeter kommt!" Vielleicht, vermutet er, habe die Empörung von Dassels etwas mit dem nahenden Wahlkampf zu tun.

Wie hoch der Preis tatsächlich ist, ergibt ein Blick in den Haushaltsplan. Dort werden für die 20885 Quadratmeter jährliche Kosten von 5185000 Euro ausgewiesen, woraus sich ein monatlicher Mietpreis von rund 20,70 Euro pro Quadratmeter errechnet. Finanzstadtrat Jens-Peter Heuer (PDS) bestätigt diese Zahl. Von ungenutzten Flächen wisse er, der immerhin seinen Dienstsitz in der Karl-Marx-Allee hat, allerdings nichts. Auch von einem Umzug weiterer Bezirksstellen in die Karl-Marx-Allee habe er nichts gehört.

Über die Gründe für dieses großzügige Finanzgebaren darf spekuliert werden. Aus der Grünen-Fraktion ist zu hören, daß das Bezirksamt den Standort vielleicht deshalb nicht aufgeben will, weil er mitten in einer PDS-Hochburg gelegen ist. Was die aktuellen Vertragsverhandlungen angeht, findet es von Dassel darüber hinaus unverantwortlich, die eigene Position gegenüber den Eigentümern zu schwächen, indem man zeitgleich Standorte wie die Rosa-Luxemburg-Straße 14 aufgebe. Er habe gehört, daß die Eigentümer bei den zur Zeit laufenden Neuverhandlungen einen Mietpreis von etwa 10 Euro pro Quadratmeter für die Büroräume anstrebten ­ obwohl niedriger als der jetzige Preis, immer noch deutlich höher als üblich.

Nun darf man gespannt sein, ob der Bezirk am Standort Karl-Marx-Allee 31 festhalten wird und ob die dafür zu zahlende Miete auf marktüblichem Niveau liegen wird. In Zeiten, da im Sozial- und Bildungsbereich Millionen eingespart werden, ist es nicht einzusehen, daß der Bezirk Mitte für seine Büroräume auch nur einen Cent mehr ausgibt als unbedingt erforderlich.?

Moritz Feichtinger

 
 
 
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