Ausgabe 05 - 2006 berliner stadtzeitung
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Suspendierter Denkmalschutz

Die alte AEG-Fernmeldekabelfabrik „A8" in Oberschöneweide soll abgerissen werden

Was nicht paßt, wird platt gemacht. So kann man – siehe Palast der Republik, Ahornblatt oder den alten, erst 1987 für 10 Millionen Mark sanierten und unter Denkmalschutz stehenden Lehrter Stadtbahnhof – Berlins derzeitigen Umgang mit architektonisch wertvollen Gebäuden beschreiben. Gleiches gilt für die alte AEG-Fernmeldekabelfabrik „A8" des Architekten Ernst Ziesel in Oberschöneweide, erbaut in den Jahren 1927/28 und seit 1977 denkmalgeschützt. Das Gebäude sollte durch die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) umgebaut und als Lehrstätte für die Bauingenieurausbildung genutzt werden. Aber der Architekt Gernot Nalbach, der sich eigentlich mit dem Umbau beschäftigen sollte, sowie ein Gutachten der Obersten Denkmalschutzbehörde des Landes bevorzugen einen Abriß. Denn die Sanierung des Gebäudes wäre etwa zehn Prozent teurer als ein Neubau.

Unabhängig davon wurden bereits 1996 andere Hallen auf dem Gelände abgerissen, die ebenfalls unter Denkmalschutz standen ­ in Zusammenhang mit der verbindlichen Zusage, die verbleibenden Bauten einschließlich der „A8" zu erhalten. Außerdem hat sich der Landesdenkmalrat für die Erhaltung der „A8" ausgesprochen. Ziesels Gebäude zeigt typische Merkmale der Neuen Sachlichkeit: Die Produktionsplätze sind hell und werden von Versorgungsräumen und Treppenhäusern freigehalten, und Teile des Stahlskeletts sind unverkleidet ­ das ist einmalig.

Die Pläne, das Gebäude für die FHTW zu nutzen, wurden verworfen wegen der Kontaminierung mit Altölen. Die Fachhochschule „bedauert den vorgesehenen Abriß", sieht aber keine Alternative. Sonst wären die Umzugspläne gefährdet, die die aktuell verstreuten Lehrorte auf dem neuen Campus in der Wilhelminenhofstraße konzentrierten sollen, so die Hochschulleitung.

Mehrere Studenten kämpfen nun für den Erhalt des Werks. In einem offenen Brief an die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), argumentiert die „Studentische Initiative Kabelfabrik", daß die Gebäude auf dem Gelände „Anschauungsobjekte für die Entwicklung von Architektur- und Ingenieurkunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts" sind. Die Initiative merkt außerdem an, daß das beauftragte Architektenbüro Nalbach und Nalbach für Neubauten im Hochschul- und Bürobereich bekannt sei, aber nicht für die Sanierung von Industriebauten. Die Studenten fragen auch, was der Denkmalschutz in dieser Stadt noch gilt, „wenn sich die öffentliche Hand mit einer Verfügung einfach darüber hinwegsetzt?" Sie und ihre Unterstützer hoffen, daß es noch nicht zu spät ist.

Sollte denn gleich von Anfang an die Sanierung unmöglich gemacht werden? Die Antwort auf die rhetorische Frage muß jedem bewußt sein: Denkmalschutz in Berlin gilt kaum noch etwas.

Matthew Heaney

> www.denk-mal-industrie.de

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