Ausgabe 05 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Wenn sich Autonome mit Banken zusammentun

Das Hausprojekt „Scharni 38" kann bleiben

Seit kurzem sind die Bewohner der Scharnweberstraße 38 eine Sorge los: Sie können endgültig in ihrem Haus bleiben. Das Projekt hat die Liegenschaft zusammen mit dem Freiburger „Mietshäuser Syndikat" gekauft. Dafür haben die ehemaligen Besetzer jede Menge neuer Sorgen: Sie müssen ihr Haus sanieren und die Schulden abbezahlen.

Einige Bewohner hatten sich nicht auf einen Hauskauf einlassen wollen und verließen das Projekt. Für die Verbliebenen kam ein Hauskauf nur mit dem Mietshäuser Syndikat in Frage, mit dessen Finanzierungsmodell sich auch die Hausprojekte in der Grünberger Straße 73 und in der Oranienstraße 45 gekauft hatten. Das Syndikat ist ein Zusammenschluß von Projekten und Initiativen, der seit den 80er Jahren aus einem Solidarfonds Häuserkäufe mitfinanziert.

Die Bewohner der Scharni 38 überzeugte am Syndikatsmodell vor allem, daß ihr Haus damit dauerhaft dem Markt entzogen ist. Gemeinsam gründeten sie die „Itzevil GmbH", die das Stammkapital von 25000 Euro stellte. Das Syndikat hält 49 Prozent der Anteile und verfügt damit über eine Sperrminorität. Darüber hinaus mußten Bankkredite aufgenommen werden. Wie schon vorher andere Syndikatsprojekte, nahm auch die Itzevil GmbH einen Kredit bei der GLS Gemeinschaftsbank auf. Diese Bank mit ökologischem Anspruch akzeptiert kleine Direktkredite und Bürgschaften als Eigenkapitalanteil. Nur so konnte es der GmbH gelingen, die astronomische Summe von 970000 zusammenzubringen.

Die Solidarität in der Szene war überwältigend. „Alte Kreuzberger Hausprojekte, die uns gar nicht kannten, aber auch Freiburger Projekte haben uns sehr kurzfristig mit großen Krediten geholfen, sogar einige, die selbst kaum Geld hatten", erinnert sich Claudia, eine Bewohnerin. Allerdings drückt jetzt die große Verantwortung. „Es kostet mich manchmal den Schlaf zu wissen, wie viele Menschen da jetzt mit drinhängen!" seufzt Felix, einer von denen, die sich mit den Verwaltungsdingen herumschlagen.

Was den Linksautonomem aber noch größere Kopfschmerzen bereitet als die Verantwortung, ist es, einer Bank, noch dazu einer anthroposophisch angehauchten, Rechenschaft schuldig zu sein. Da die GLS ihre Kredite an Bauauflagen gekoppelt hat und die Bewohner mit der Schuldentilgung schnell vorankommen wollen, ist ihr zeitlicher und finanzieller Spielraum für soziale oder künstlerische Gestaltung erheblich eingeschränkt. Deshalb hoffen Claudia, Felix und die anderen auf weitere kleine Direktkredite von Projekten oder Einzelpersonen.

Vorbehalte gegenüber Banken versteht Jochen Schmidt vom Syndikat gut: „Das ist ja gerade unser Ziel, durch die Solidarität der Mitglieder und der Unterstützer von Projekten genug Geld zusammenzubringen, um nicht mehr auf Banken angewiesen zu sein!" Umgekehrt hat man bei der GLS gute Erfahrungen mit der Finanzierung von Projekten wie der Scharni gemacht. „Diese machen ca. 19 Prozent des Kreditbereichs aus, und wir wollen auf diesem Sektor weiter wachsen" sagt ihr Sprecher Christof Lützel.

Weiter wachsen will die Scharni 38 auch: Mit dem Kauf des Flügels Colbestraße hat sich die Fläche, die dem Projekt zur Verfügung steht, fast verdoppelt. Nun sucht man politische Gruppen und einzelne Menschen, die Lust haben, einzuziehen und den neu geschaffenen Freiraum mitzunutzen und mitzugestalten.

Moritz Feichtinger

> www.scharni38.flatline.de

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 05 - 2006 © scheinschlag 2006