Ausgabe 03 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Eins zu Null für die Genossenschaft

Der Senat lehnt das Stiftungsmodell der Mieterinitiative Waldekiez ab

Die Mieterinitiative von Bewohnern des Kreuzberger Waldekiezes zeigt sich empört über eine Entscheidung des Senats für Stadtentwicklung. Dieser beendete eine mehrjährige Auseinandersetzung über die Zukunft von knapp 300 zum Verkauf stehenden landeseigenen Wohnungen mit der Ablehnung eines von den Mietern geforderten „Stiftungsmodells". Stattdessen werden die 23 Grundstücke von einer Genossenschaft aus Prenzlauer Berg übernommen.

Die Mieterinitiative fürchtet nun die Verdrängung der ärmeren Anwohnerschaft aus dem Kiez rund um Waldemar- und Adalbertstraße. Das von ihr geforderte alternative Modell sah vor, die Wohnungen in eine eigens dafür gegründete Stiftung zu überführen, in der die Mieter Mitglieder werden. Das Land sollte etwa die Hälfte des Kaufpreises von rund 12 Millionen Euro in das Stiftungsvermögen einbringen; eine Rückzahlung würde in einem Zeitraum von 30 Jahren über die Mieten erfolgen. Diese könnten somit langfristig niedrig gehalten werden.

Diese Konditionen seien „unangemessen, unsicher und spekulativ", heißt es in einem Schreiben des Senats, in dem der Bürgerinitiative die Ablehnung ihres Modells verkündet wird. Kritisiert wird vor allem, daß das Modell keine Eigenbeteiligung der Mieter vorsieht. Besonders bei der türkischen Mieterschaft sieht der Senat ein großes Interesse am Erwerb von Wohneigentum in Deutschland. Die Einbeziehung der migrantischen Bevölkerung sei einmalig und biete „eine neue Dimension von Integration".

Die Mieterinitiative hält das für einen schlechten Scherz und verweist auf eine Umfrage, wonach lediglich vier Prozent der Haushalte Interesse an Eigentumserwerb hätten. Grund sei deren extrem niedriges Durchschnittseinkommen. Mehr als die Hälfte verdiene weit weniger als der Berliner Durchschnitt, der bei rund 1000 Euro monatlich liegt. Seit der Einführung von Hartz IV habe sich der Lebensstandard vieler Waldekiezbewohner weiter verschlechtert. Kaum einer besitze Vermögen, das er in Wohneigentum investieren könne.

Das wird aber notwendig, wenn die Häuser in den Besitz der vom Senat favorisierten Genossenschaft übergehen. Bei Neuvermietungen müssen Genossenschaftsanteile von bis zu 5200 Euro gezahlt werden, zudem sei mit nicht unerheblichen Mieterhöhungen zu rechnen.

„Noch hat der Waldekiez mit seinen niedrigen Mieten eine Bevölkerungsstruktur, wie sie im Innenstadtraum anderer Großstädte nicht vorkommt", meint Thomas Krüger von der Mieterinitiative. Die nun beginnende Verdrängung der ärmeren Kiezbevölkerung sei durchaus gewollt. Er sieht den eigentlichen Grund für die Ablehnung der Stiftung nicht in der vermeintlich unsicheren Finanzierung: „Die Stiftung hätte Modellcharakter, andere Mieter könnten sich darauf berufen und ähnliches versuchen, das würde der vom Senat forcierten Umstrukturierung und Aufwertung der Innenstadtbereiche entgegenstehen."

Philipp Mattern

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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