Ausgabe 02 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Ciao, ciao, Coffee and Cigarettes ...

Ein Gesetz in Italien verändert das öffentliche Rauchen

Am 10. Januar 2005 ist in Italien ein Gesetz in Kraft getreten, das nachhaltige Wirkung zeigt. Gesetz Nr. 3/2003, Art. 51 verbietet das Rauchen in allen geschlossenen Räumen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Damit wurde das Rauchverbot, das bisher schon für Ämter, Schulen, Universitäten, Museen etc. galt, erheblich ausgedehnt und schließt neben dem Arbeitsplatz jetzt auch sämtliche privat geführte Einrichtungen wie Bars, Restaurants, Discotheken, Clubs, Hotels etc. ein. Erlaubt ist das Rauchen nur noch in speziell dafür ausgewiesenen, räumlich getrennten Bereichen, in denen es ausreichende Belüftungsmöglichkeiten gibt. In allen Lokalen, die nur aus einem Raum bestehen, gilt absolutes Rauchverbot. Wer gegen das Gesetz verstößt, muß mit einer Strafe rechnen, die mit knapp 30 Euro für den Raucher nicht besonders hoch ist. Der Lokalbesitzer jedoch, der in der Pflicht ist, diejenigen seiner Gäste anzuzeigen, die gegen das Verbot verstoßen, kann mit bis zu 2200 Euro zur Kasse gebeten werden.

Auf diese Weise soll ein weitreichender Schutz der Nichtraucher vor dem Passivrauchen gewährleistet werden. Insbesondere hofft man im italienischen Gesundheitsministerium, so längerfristig die Kosten im Gesundheitswesen senken zu können. Schon jetzt gibt es Hinweise darauf, daß das Gesetz seine beabsichtigte Wirkung zeigt. Die Zahl der Akuterkrankungen wie Herzinfarkte ist zurückgegangen. Es wurden fast sechs Prozent weniger Zigaretten verkauft, allerdings dafür mehr loser Tabak. Die Zahl der Raucher ist zwischen Dezember 2004 und März 2005 um zwei Prozent zurückgegangen.

Das Erstaunlichste an diesem Gesetz allerdings ist nicht sein Inhalt, sondern die Tatsache, daß es allen Erfahrungen, die man in Italien mit Gesetzen hat, widerspricht. Von der Beschlußfassung bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes ist es dort normalerweise ein langer Weg. Es gibt Aufschübe und Verzögerungen, niemand glaubt so richtig daran, daß es wirklich rechtswirksam werden könnte. So auch hier: Kaum ein Restaurant- oder Barbesitzer, der sich ernsthaft Gedanken gemacht hatte, wie er sein Lokal umbauen könnte oder wo er das Geld für eine teure Klimaanlage auftreiben würde. Alle warteten ab. Indes, das Gesetz 3/2003 trat wie vorgesehen zum 10. Januar 2005 in Kraft.

Nun hätte man meinen können, daß es diesem Gesetz wie vielen anderen ergehen würde, die von den Italienern tagtäglich unterlaufen werden. So wird z.B. die Anschnallpflicht beim Autofahren von vielen zwar durchaus als sinnvoll und berechtigt angesehen, aber kaum jemand hält sich daran, weil das die Bewegungsfreiheit eben doch zu sehr einschränkt. Hier jedoch ­ Fehlanzeige! Die überwiegende Mehrheit hält sich an das Rauchverbot, ohne daß es (wie bei der Durchsetzung der Helmpflicht auf den Mofas) zu einer Welle von Strafmandaten gekommen wäre. Im Gegenteil: Umfragen bescheinigen dem Gesetz eine sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, die meisten Italiener begrüßen das Rauchverbot.

Natürlich gibt es auch Kritik und Mißachtung des Verbots. Im Internet kursieren liebevoll gepflegte Listen mit Restaurants, in denen geraucht werden darf. Einige stilisieren sich zu Opfern, die in ihren Grundrechten verletzt werden. In den autonomen Zentren wird weiter geraucht. Auch Regierungsmitglieder ignorieren das Rauchverbot. Ausgerechnet der Palazzo Chigi, Sitz der italienischen Regierung, hat sich zu einer Art „gallischem Dorf" bei der flächendeckenden Verbreitung des Rauchverbots entwickelt.

Doch das sind Ausnahmen. Das Gros der Italiener hält sich freiwillig an das Verbot und atmet regelrecht auf und befreit durch. Schließlich war in den Restaurants selbst vielen Rauchern vor lauter Qualm der Appetit vergangen. Zudem ist die Luft in den italienischen Innenstädten durch den Verkehr so verpestet, daß es geradezu eine Erholung ist, in der Bar zusammen mit dem Espresso auch ein paar Atemzüge saubere Luft zu genießen. Und nicht zuletzt konnten viele modebewußte Italiener nach einem Restaurantbesuch ihre nach Rauch stinkende Kleidung schon lange nicht mehr riechen. Insgesamt, so läßt sich vermuten, sehen die meisten dieses Rauchverbot weniger als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit, denn als Zugewinn an Lebensqualität. Und dafür heiligt in Italien der Zweck die Mittel.

Carola Köhler

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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