Ausgabe 02 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kurznachrichten

modewelt

Theater pseudokritisch: Da werden ein paar Interviews mit Leuten „aus der Wirtschaft" geführt, da wird ein bißchen gesampelt, sprachlicher Medienmüll wird neu angerührt. Und das soll dann politisches Theater sein. Zwei solcher Unternehmungen sind im März auf Berliner Bühnen zu sehen: In den Sophiensaelen wird jetzt die theatralische Zweitverwertung eines Buches von Ingo Niermann gezeigt. Für seine Minusvisionen hat er 14 gescheiterte Unternehmer befragt, denen es angeblich nicht um „Profit", sondern um einen „persönlichen Traum", etwa den Aufbau einer Sandwich-Kette, gegangen ist. Vier davon stellt die Regisseurin Kerstin Lenhart jetzt auf die Bühne. Die österreichische Autorin Kathrin Röggla hingegen brüstet sich damit, in Unternehmensberatungen und Flugangstseminaren zu recherchieren. Für draussen tobt die dunkelziffer waren jetzt Schuldnerberatungen dran. Was ihr Berater und Angehörige von Schuldnern erzählt haben, will sie in einem „rhythmischen Sprachgeflecht ironisch zugespitzt" haben. Ist ja auch ein spaßiges Thema.

* „Minusvisionen. Unternehmer ohne Geld" von Ingo Niermann am 16., 17., 18. und von 23. bis 26. März um 20 Uhr in den Sophiensaelen/Hochzeitssaal, Sophienstr. 18, Mitte; „draussen tobt die dunkelziffer" von Kathrin Röggla am 11., 16. und 30. März um 19.30 Uhr im Maxim Gorki Theater, Am Festungsgraben 2, Mitte

inselwelt

Daß Wolfgang Müller, Gründungsmitglied der wunderlichen, in den achtziger Jahren nie gehörte Klänge produzierenden Combo „Die tödliche Doris" und ausgesprochener Islandspezialist, der auch schon mal Elfenrundgänge durch Kreuzberg organisiert, Sinn für abseitige Dinge hat, wußten wir schon. Und so finden wir es auch gar nicht überraschend, daß er sich nun mit verschwundenen, besser gesagt: untergegangenen Inseln beschäftigt. In seinem letzten Buch Neue Nordwelt untersucht er Auf- und Abtauchen der fiktiven, gleichwohl kartographierten und in Reiseberichten beschriebenen Insel Friesland. Am 15. März spricht er während einer der berüchtigten „Verbrecherversammlungen"mit Werner Labisch über seine Forschungen, über Friesland, Atlantis und Vineta.

* "Verschwundene Inseln", Gespräch mit Wolfgang Müller, am 15. März um 20.30 Uhr im taz-Café, Kochstr. 18, Kreuzberg

zauberwelt

Nach dem Umzug vom schönen Tiergarten an den häßlichen Pariser Platz ist die Akademie der Künste in gehörige Turbulenzen geraten, steht heute konzeptions- und führungslos da. Adolf Muschg hat den Bettel hingeschmissen, die verschiedenen Sektionen zanken sich. Was aber noch zu funktionieren scheint, ist der Bereich Archiv, wo man sich laufend über Neuzugänge freuen darf. So hat die Akademie nach dem Tod des Regisseurs und Bühnenbildners Herbert Wernicke 2002 dessen Archiv übernommen und präsentiert es jetzt erstmals in einer Ausstellung. Wernicke, der im März 60 geworden wäre, war in den neunziger Jahren einer der gefragtesten Exponenten des Opern-Regietheaters zwischen Salzburg und New York. Er setzte Wagner und Schönberg in Szene und brachte sogar barocke Oratorien auf die Bühne. Den Besucher erwartet keine trockene Vitrinen-Ausstellung. Man hat vielmehr den Versuch gemacht, in der Ausstellung die Atmosphäre, das kreative Chaos von Wernickes Baseler Wohnung einzufangen.

*„Harmonie bleibt Utopie. Herbert Wernicke, Regisseur und Bühnenbildner", noch bis zum 26. März in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4, Mitte, Di bis So von 11 bis 20 Uhr

kinderwelt

Feuer ist für Kinder nicht ganz ungefährlich. Da ist es schon besser, Kinder malen „ihr Bild vom Feuer" als daß sie richtig kokeln. Auf die Sublimierung pyromanischer Energien will nun das „Special FEUER und KUNST" im Rahmen des Symposiums KIND und FEUER in einer konzertierten Aktion hinwirken ­ veranstaltet vom Vivantes Netzwerk für Gesundheit, also den Ganoven, die aus den Berliner Krankenhäusern Profit schlagen wollen, und der Berliner Feuerwehr. Es geht um die Vermittlung von „kindgerechter Feuerkompetenz", damit die Blagen nicht mit teuren Verbrennungen die Gesundheitskassen belasten, sowie um metaphorischen Ersatz: um „kognitive Brandstiftung", „zündende Ideen" und die „Explosivität allen Daseins".

*Symposium „KIND und FEUER", am 10. und 11. März im GSG-Hof, Köpenicker Str. 154, Kreuzberg, www.mitfeuerspielen.de/Symposium.html

umwelt

Das Podewil, neuerdings „Palais" und Medienkunst-Labor, widmet sich erfreulicherweise engagiert der akustischen Kunst, etwa in thematischen Hörspiel-Reihen. So geht es bei „Radiotesla" im März um das Thema Krieg. Für zeitgenössische Kriegspropaganda nicht mehr attraktiv, weil bildlos, ist das Radio gleichwohl ein Medium, in dem das Thema künstlerisch reflektiert wird. An fünf Abenden im März sind öffentlich-rechtliche Hörspiele und Features u.a. von Heinz von Cramer und Romuald Karmakar zu hören, aber auch Produktionen freier Radios zum Thema.

*„Radiotesla" , am 1., 8., 15., 22. und 29. März um 20.30 Uhr bei freiem Eintritt im TESLA im Podewils'schen Palais, Klosterstr. 68-70, Mitte

geisterwelt

Geister- und Horrorfilme aus Japan: Da denkt man an Trash der übleren Sorte, nur für Liebhaber mit etwas abartigen cineastischen Neigungen. Das Kellerkino Arsenal präsentiert jetzt mit Nubuo Nakagawa (1905-1984) einen Exponenten des japanischen Industriefilms, der diesem Genre andere Seiten abzugewinnen wußte. Zwar geht es auch in seinen Filmen um Spukhäuser, Serienmörder und verbrecherische Samurais. Aber Nakagawa verstand es, die reißerischen Plots mit einer anderen Tradition des japanischen Kinos zu verbinden ­ jener, die mit Empathie dem Leben der „kleinen Leute" nachspürt.

*„Nobuo Nakagawa. Japanische Geister- und Horrorfilme aus den 50er und 60er Jahren", noch bis zum 20. März im Kino Arsenal, Potsdamer Str. 2, Tiergarten, www.fdk-berlin.de

gemütswelt

In den nächsten Wochen werden gleich zwei Bands einen Hauch Osteuropa in die Kulturbrauerei bringen. Am 7. März läßt das Boban I Marko Markovic Orkestar seinen Mix aus archaischem Jazz und süffigem Balkan-Brass-Sound erklingen. Gegen Ende des Monats, am 20. März, zelebrieren Babylon Circus ihre Melange aus traditionellem Folk Osteuropas, Songelementen ihrer französischen Heimat, aus urbanem Reggae, Ska, Jazz, Dub und Punk. Beide Konzerte finden im Kesselhaus statt und beginnen um 21 Uhr.

bildwelt

Vor 20 Jahren wurde der Jugendklub „An der Weißenseer Spitze" eröffnet ­ dort, wo sich heute die Brotfabrik befindet. Der Fotograf Dietmar Riemann zeigte dort damals Bilder von geistig behinderten Menschen, der aufmüpfige Klub wurde bald wieder geschlossen. Jetzt wird diese Ausstellung, ergänzt um weitere Arbeiten, noch einmal gezeigt.

*„Rückblende. Fotografien aus der DDR 1979-1989" von Dietmar Riemann, von 5. März bis 16. April in der Brotfabrik, Caligariplatz, Weißensee, Di-So 16 -21 Uhr

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 02 - 2006 © scheinschlag 2006