Ausgabe 01 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Die Spendenfassade

Wilhelm von Boddiens „Förderverein Berliner Schloss e.V." gerät in die Kritik

Mit geradezu sensationellen Nachrichten wartete das Berliner Extrablatt, ein Werbeblatt des „Fördervereins Berliner Stadtschloss e.V.", im September 2002 auf: „Der Bundestag hat entschieden: Das Schloß wird gebaut", die „staatliche Gegenfinanzierung" sei „gesichert", über den Architekturwettbewerb werde „im Herbst 2004" entschieden. Es folgte die Bitte: „Spenden Sie für die Schloßfassaden!" Damit „wir schon jetzt mit der handwerklichen Vorproduktion der historischen Fassade beginnen können".

Das klang beeindruckend – nur hat es bis heute weder einen haushaltswirksamen Bundestagsbeschluß gegeben noch eine Finanzierung oder einen Wettbewerb. Noch nicht einmal der im Impressum als Herausgeber angegebene „Förderverein Berliner Stadtschloss e.V." existierte damals offiziell – im Vereinsregister war zu diesem Zeitpunkt lediglich ein „Förderverein für die Ausstellung ´Die Bedeutung des Berliner Stadtschlosses für die Mitte Berlins – eine Dokumentation' e.V." eingetragen, gegründet 1992 von Wilhelm von Boddien zwecks Organisation der Schloßattrappen-Ausstellung, die 1993 stattfand. Doch erst im August 2003 erfolgte eine offizielle Umbenennung und Satzungsänderung – neun Jahre nach Ausstellungsende.

Seit 1992 wirbt der Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien mit seinem Verein vehement für die Wiedererrichtung der barocken Schloßfassaden und verspricht, die dafür benötigten 80 Millionen Euro aus privaten Spenden aufzubringen. Seit einiger Zeit kann man über die Webseite des Vereins sogar „Schloßbausteine" für 250 Euro und ganze Portale „erwerben" – freilich nur „symbolisch", denn bis auf die Spenden ist das alles virtuell: vom Fünftelbaustein für 50 Euro bis hin zur Portalskulptur, „´ausverkauft', 248900,00 Euro". Und der BZ sagte Boddien 2003: „Wir sammeln steuerbegünstigt Spenden für die Rekonstruktion der Schloßfassade. Die Gelder werden der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zweckbestimmt übergeben." All das suggerierte, der Schloßneubau finde bald statt, der Verein spiele eine offizielle Rolle, und die eingeworbenen Spenden würden für die eigentliche Fassadenrekonstruktion gesammelt.

Tatsächlich sieht die Vereinssatzung bis heute gar nicht vor, Spenden anzusammeln. Stattdessen ist der Verein (wie Boddien selbst einräumen mußte) gesetzlich gehalten, die Einnahmen zeitnah auch wieder auszugeben ­ und tut dies auch: So wurden allein von 2002 bis Ende 2004 ca. 2,4 Millionen Euro eingenommen und davon ca. 1,9 Millionen Euro wieder ausgegeben; konkrete Zahlen von 2005 sind bislang nicht erhältlich. Bis 2003 floß das Geld vor allem in massive PR-Kampagnen und Lobbyarbeit fürs Schloß, in Verwaltung und seit 2003 auch für „Planung" und „Rekonstruktion" der Schloßfassade ­ bislang schätzungsweise eine Million Euro. Für die Planung zeichnet der Architekt Rupert Stuhlemmer verantwortlich. Der war seit 1992 stellvertretender Vorsitzender des Vereins und schied erst im Oktober 2004 wegen „möglicher Interessenkonflikte" aus dem Vorstand aus. Boddien war bereits im März 2004 als Vereinsvorsitzender zurückgetreten, um nun eine hauptamtliche Tätigkeit als Geschäftsführer des Vereins anzufangen ­ nachdem seine Firma in die Insolvenz gegangen ist. Sein Jahresgehalt liegt nach Aussage des damaligen Schatzmeisters zwischen 50000 und 100000 Euro.

Zwar werden durch den Architekten tatsächlich Planungen erarbeitet und Modelle angefertigt, doch gibt es dafür keinerlei öffentlichen Auftrag, weder vom Senat noch vom Bund und auch nicht von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wie Wilhelm von Boddien ebenfalls einräumen mußte. Nach Boddiens Angaben soll der Verein von 2004 bis Ende 2005 angeblich 11,4 Millionen Euro Spenden gesammelt haben, ca. 8 Millionen davon allerdings lediglich als „rechtsverbindliche Zusagen", abrufbar bei „Baufortschritt". Der Rest, also 3,4 Millionen, fließe bar in die laufende Planung ­ eine allerdings unsinnige Planung ohne Baubeschluß, Raumkonzept, ohne Auftrag, ohne Vereinbarung mit potenziellen Bauherren, Nutzern und Finanziers eines potenziellen Gebäudes, das ­ wenn überhaupt ­ nicht vor 2012 gebaut werden wird.

Es stellt sich die Frage, was hier überhaupt gefördert wird, denn unter einem Förderverein ist ­ laut Bundesfinanzministerium ­ ein Verein zu verstehen, der „Mittel an andere Körperschaften für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke weitergibt". Eher erinnert das Wirken des Vereins an eine sich selbst beauftragende Werbeagentur. Und Boddiens stolze Aussage, der Verein bekomme keinen Pfennig vom Staat, tröstet nur bedingt: Denn immerhin sind die Spenden von mindestens sieben Millionen Euro, für die der Verein bislang Quittungen ausstellte, steuerlich absetzbar ­ und verursachen damit der öffentlichen Hand Steuermindereinnahmen.

Fraglich ist zudem, inwieweit die Gemeinnützigkeit des Schloßvereins tatsächlich gegeben ist. Denn die Finanzierung der Rekonstruktion historischer Fassaden ist steuerlich nicht förderfähig, weil das Schloß nicht mehr vorhanden und daher kein Baudenkmal ist ­ und das weiß der Verein. Bis 2003 sah die Satzung des Vereins überhaupt keine Rekonstruktion der Schloßfassade vor, sondern nannte lediglich die Ausstellung 1993 als Vereinsziel. Mit dieser Satzung wurden jedoch auch nach Beendigung der Ausstellung 1994 weiter Spenden gesammelt ­ wofür? Erst ab 2003 beinhaltete die Satzung den Vereinszweck: „Förderung des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses in weitestgehender Originaltreue seiner Fassaden und Höfe sowie wichtiger historischer Innenräume für Bildungs- und kulturelle Zwecke". Begründung des Vorstands: Mit der Berufung auf „Bildungszwecke" sei die Änderung hinsichtlich der Gemeinnützigkeit „wasserdicht". Das Finanzamt schienen solche Winkelzüge nicht zu stören, es verlängerte die Gemeinnützigkeit 1998 und 2003, was nicht nur den SPD-Bauexperten Peter Conradi wundert. Er versucht seit Frühjahr 2005, Licht in die Angelegenheit zu bringen ­ bislang vergeblich.

Wegen des Spendensammelproblems soll nun die Stiftung Preußischer Kulturbesitz „voraussichtlich" als „Leistungsempfänger" des Schloßvereins dienen, wie Boddien ­ nun schon vorsichtiger als bislang ­ formuliert. Doch auch hierzu gibt es bislang keinerlei offizielle Abmachung, schließlich ist die Frage der Bauherrenschaft und Finanzierung völlig offen. Conradi argumentiert zudem: „Die Förderung eines nicht steuerlich gemeinnützigen Zweckes ­ hier des Fassadenbaus ­ wird nicht dadurch gemeinnützig, daß sie über eine andere gemeinnützige Körperschaft erfolgt."

Gern beruft sich Boddien auf das Vorbild des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche ­ doch sind eher die gravierenden Unterschiede augenfällig. Denn anders als beim Berliner Schloß war der Wiederaufbau der Frauenkirche von einem breiten Konsens getragen; die Ruine der Kirche existierte noch und begründete als eingetragenes Baudenkmal die Gemeinnützigkeit des dortigen Fördervereins. Zudem hatte sich der Förderverein in Dresden per Satzung verpflichtet, die Spenden ausschließlich an die Stiftung zum Wiederaufbau der Kirche als Bauherrin weiterzureichen. Und: Im Gegensatz zum Dresdner Förderverein und zur dortigen Stiftung läßt der Verein Berliner Schloss e.V. es erheblich an Transparenz vermissen. U.a. erhalten Mitglieder weder Einblick in Mitgliederlisten ­ angeblich aus Datenschutzgründen ­, noch namentlich gezeichnete Bilanzen, weder gibt es einen Finanzbeirat noch einen Kassenprüfer.

Doch trotz aller Fragen, die sich bei gründlicherer Betrachtung auftun, scheint das Vertrauen der Politik in den Verein ungebrochen. Zwar wahren Bundes- und Senatsverwaltung offiziell Distanz, dennoch wird das intransparente, teils unseriöse Gebaren des Vereins toleriert; sowohl Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse als auch Ex-Bundesbauminister Stolpe lobten dessen Wirken öffentlich, Nachfragen wurden ignoriert. Schließlich betreibt Boddien auf eine Weise aggressive Werbung für den Schloßbau, wie es offizielle Stellen niemals könnten, und liefert im Gegenzug mit seinen Versprechungen Argumente für die politische Legitimation des Vorhabens: Sowohl die 2002 einberufene Expertenkommission als auch die „Arbeitsgruppe Schlossareal" von 2003 stützten sich wesentlich auf die Aussage, jene 80 Millionen Euro für die barocken Fassaden seien durch private Spenden finanzierbar. Und auf dieser Basis hat der Bundestag 2002 für den Schloßneubau plädiert. Was wiederum Boddien als „Beschluß zum Wiederaufbau" bezeichnete, weshalb nun dringend die Spenden fließen müßten. Das könnte man auch Seifenblasenpingpong nennen.

Ulrike Steglich

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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