Ausgabe 10 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

musik für die massen

Presseschau Weltmusik

„Emir Kusturica lacht sich ins Fäustchen. Oder nehmen wir Gunnar vom Bauwagenplatz. Der freut sich, daß die Musik, die auf den ortsüblichen Anti-Globalisierungsparties die ganz heiße Kiste ist, langsam im Mainstream ankommt – osteuropäische Musiken liegen im Trend", schreibt die Kölner Stadtrevue über die wundervoll energetische Scheibe Balkan Beat Box (Essay Recordings) – und löst damit das Rätsel, warum so viele Scheiben, die früher in Regalen der Rubrik „Weltmusik" verstaubten, auf einmal hip sind: weil sie im Trend liegen. Klar. Im Fall des New Yorker Projekts Balkan Beat Box erläutert die Stadtrevue auch noch, was das Geheimnis des Erfolgs ist: „Dem multi-ethnischen Kollektiv gelingt mühelos die Verschmelzung diverser osteuropäischer, arabischer und sephardischer Musikstile mit modernen Beats. Elektrifizierte Folklore gewissermaßen."

Der Standard aus Österreich verweist bei der neuen Attwenger-CD Dog (Trikont) gleichfalls auf das interessante Mischungsverhältnis verschiedener Stilelemente: „A stilistisch san attwenga wieda sehr heterogen untawegs, sie mixn vü richtungen, a wenns weita repetitiv und minimal bleim: von rap üba eanane glassischen gstanzln, a a klans bissi glassik, rock, spihd-dram&beis, und sogor volkstümliches bis hi zu an düsteren koldwehv-saund in bled." Besser hätte es kein Preuße formulieren können. Markus Binder und Hans-Peter Falkner stammen aus Oberösterreich, und abgesehen davon, daß sie das Akkordeon aus der Volksmusikecke befreit haben, entwickeln sie mit ihrem trockenen Wortwitz ­ sofern man ihn versteht ­ einen sehr speziellen dialektischen Dadaismus. Oder wie es die Stuttgarter Nachrichten zusammenfassen: „Wieder der programmatisch einsilbige, zweisprachig zu verstehende Titel: ,Und a dog is a dog und a dog is a hund.' Der Tag ist ein Tag und der Hund (oder der Tag?) ist ein Hund. Aha."

Nun kann die Mischung unterschiedlicher Musikrichtungen auch Verwirrung hervorrufen. So schreibt das Fachblatt für elektronische Lebensaspekte De:Bug über die neue Cobra Killer-CD Das Mandolinenorchester (Monika Enterprise): „Eigentlich haben wir sie ja gerne. Aber was man mit der Platte anfangen soll, ist nicht genau klar." Woher diese Irritation stammt, weiß das Special-Interest-Magazin Splash-Games zu erklären: „Hier sind wirklich Mandolinen drauf – und zwar als Re-Instrumentierung von Killer-Tracks der Alben 76/77, The Third Armpit und Cobra Killer. Das deutsche Feminine-Duo hat ihre nervösen Retro-Elektro-Songs vom Mandolinenorchester Kapajkos neu interpretieren lassen, was in seiner rückwärtsgewandten Ahnenhuldigung natürlich wie angegossen ins freaky Albenportfolio von Monika Enterprise paßt." Bei dieser freaky Rezension möchte man gleich noch mal das großartige „Aha" aus den Stuttgarter Nachrichten hinterherzitieren. „Aber, machen wir's kurz, die durchaus schlichten Songs entwickeln mit der Zeit auch im Mandolinengewand einen sehr eigenen Charme", stellt die Westzeit zum Schluß in aller geboten Kürze fest. Was allerdings nicht stimmt, denn die Songs sind absolut phantastisch.

Marcus Peter

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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