Ausgabe 9 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

scheinschlag 14/95

Gegen die ästhetische Nobilitierung der Macht

Eklat bei der Verleihung der Hanno-Klein-Gedenkmedaille

Zu einem Eklat kam es am Samstag, dem 24. Juni, als anläßlich der Eröffnung der Ausstellung Gerhard Merz: Berlin in den Räumen der Kunst-Werke Berlin in Mitte die diesjährige „Hanno-Klein-Gedenkmedaille" überreicht wurde. Der Architekt Hans Kollhoff, der Künstler Gerhard Merz und der Kulturmanager Klaus Biesenbach sollten für ihre Arbeit im Sinne Hanno Kleins („für eine neue Gründerzeit mit Markanz und Brutalität") geehrt werden; sie nahmen die mit keinem Geldpreis verbundene Medaille allerdings nicht an. Kollhoff warf den Verleihern lautstark Unverfrorenheit und Geschmacklosigkeit vor.

Die Verleiher der Medaille waren Mitarbeiter von Kunstprojekten, die bei Kunst-Werke ausgestellt hatten und früher das mittlerweile faktisch entmachtete Kuratorium des Kunstvereins bildeten. „Statt einer Kritik an sozialen und politischen Auswirkungen des neuen Bauens in Berlin ist in Kunst-Werke eine ästhetische Nobilitierung geplant", so warfen sie der Geschäftsführung vor. „Anhand der Merz-Ausstellung will Kunst-Werke nicht die Stadtplanungspolitik thematisieren, sondern vielmehr die alte Diskussion des künstlerischen Werks nach künstlerischen Kriterien führen. Das entspricht genau den Absichten Merz', der einer reinen Kunst nachhängt, die ,ehernen' Gesetzen gehorcht."

Gerhard Merz ist der Gewinner des Wettbewerbs zur Neugestaltung des Lustgartens auf der Museumsinsel. Sein Entwurf basiert auf einem funktionslosen Riegel von 87 Metern Länge, der den Lustgarten zur Straße Unter den Linden abschließt. Kollhoff lobte in der Laudatio das „gelassene Schweben" des Riegels und die Fresken, die mit der Säulenhalle des Alten Museums „eine komplementäre Einheit" eingingen. „Eine Art implodierendes Farnsworthhaus, das uns vertraut ist, wäre da nicht die Geschlossenheit der Glaskuben, deren nur teilweise mögliche Betretbarkeit schon in der Jury nicht nur Begeisterung fand." Im Bürgerbegehren zum Erhalt der historischen Mitte wird unter anderem gefordert, diesen Entwurf nicht umzusetzen.

Merz selbst hatte in einem Interview mit der Zeitschrift neue bildende kunst durchaus Verständnis für diese Ablehnung geäußert: Der Lustgarten sei „in Berlin vielleicht die einzigste Chance, Architektur zu machen im Zusammenhang mit Kunst, weil er ein Architekturfragment ist, ohne pragmatischen Wert, ohne jede lebensdienende Funktion. Nur die kalte Demonstration dessen, was die zugespitztesten Mittel der Kunst als Denkprozesse leisten können. Daß das enttäuschend wirkt, verstehe ich sehr gut".

Die Medaillenverleiher setzten ihre politische Kritik dagegen: „Es ist historisch nichts Neues, daß die Kunst, die auf ihrer Autonomie am deutlichsten besteht, ihre politische Verwertung am direktesten anvisiert: Das Erhabene der Merz-Quader, der reduktiven Proportionen und edlen Materialien – eben seiner Formensprache – dient sich direkt dem neuen Berliner Baustil an, der dem Hauptstadtformalismus zukünftig durch Kunst den Hauch nobilitierter Größe geben soll."

Christof Schaffelder

Hans Kollhoff

Kollhoffs Architektur ist besetzt von der Angst vor dem Ungewissen: vor einer sich auflösenden Gesellschaft, vor der Reizüberflutung durch die Medien, davor, die bürgerlichen Lebensmuster zu verlieren, ergo in einer chaotischen Welt unterzugehen. Sein Leitbild ist der Bürger, der in Friedenau im Altbau lebt. Verhaßt ist ihm die Moderne, die kalte, unstrukturierte Welten in Glas und weißen Wänden fabrizierte. Er argumentiert für eine Rückbesinnung auf die Zeit, als die Welt noch voller räumlicher Geborgenheit war. Der Zeitpunkt wird auf die dreißiger Jahre gelegt, weil damals die Mischung von Moderne und Tradition noch emotionalen Halt versprach. An diesen Punkt müsse man anknüpfen, dahingehend, daß die Welt begreifbar bleibe. Kollhoff will einen Gestus der Sicherheit kreieren durch Solidität und Pathos ­ ein Vokabular der Macht, denn eine geordnete und sichere Welt ist automatisch eine, in der Werte, Identitäten, Konventionen diktiert werden.

Um es mit Kollhoffs Worten auszudrücken: „Insofern ist Architektur die Kunst, bildhaft Möglichkeiten des Zusammenlebens zu entwerfen, die über die sogenannte Wirklichkeit mit all ihrem Elend und Chaos hinausweisen. Architektur, die keine Lebensformen ­ und das sind Konventionen ­ zur Erscheinung bringt, entzieht sich der sozialen Wirklichkeit. Ihre Frage spiegelt die Hoffnungslosigkeit einer Linken, die, von der Analyse erschlagen, zum Entwurf nicht mehr fähig ist."

Stefan Bullerkotte

Hanno Klein

Er trug einen italienischen Maßanzug und fuhr einen roten Porsche, der „Senator Klein" aus der Behrenstraße. H.K. war ein totaler Stadtplaner, auch wenn er eigentlich „nur" der Leiter des „Referats für besondere Investitionen" beim Bausenat war. Das aber zu einer Zeit, als Grundstücke von Milliardenwert in Ost-Berlin privatisiert wurden. „Von Abenteurern bis zu Vertretern von Großkonzernen" mußten alle an seinem Tisch vorbei. Diese Situation, sagte er, sei „ein Vakuum nach meinem Geschmack". Er vermittelte bei riesigen Projekten, wie dem Daimler-Benz-Gebäude am Potsdamer Platz, dem American-Business-Center am Checkpoint Charlie und vor allem den 1,4 Mrd. schweren Friedrichstadt-Passagen. Klar war für ihn, daß hier Stadtplanung im großen Maßstab möglich sei, ohne allzuviel öffentliche Kontrolle und mit der Chance, Berlin wieder zum „Labor und Motor" (Kollhoff) für Großraumarchitektur werden zu lassen. In der „Hauptstadt der Baustellen" ginge es nicht mehr um „isolierte" Wohn-, Geschäfts- oder Regierungsbauten, sondern um „komplexen Stadtbau".

Im Spiegel äußerte er, Berlin brauche eine Gründerzeit „mit Markanz und Brutalität", was für ihn nichts anderes heiße als eine gut organisierte Verdrängung ärmerer Bevölkerungsteile in Trabantenstädte wie Marzahn oder Hellersdorf. Es könne keinen „Denkmalschutz für Sozialstrukturen" geben. Am 14. Juni 1991 starb Hanno Klein durch eine Briefbombe.

K.A. Siemens

(gekürzt)

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