Ausgabe 8 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Film im Stuhl

Scheißen auf der Leinwand

In Filmen passiert viel Scheiße. Meist häufiger als in der Realität wird eine Toilette benutzt bzw. über Stuhlgangs-Ereignisse witzig kalauert. Richtig – echt, oder falsch will ich dabei nicht so korinthisch abtrennen – gekackt wird dann aber doch seltener als im verschissenen Alltag. Die Scheiße kommt zwar verbal ständig, als Nebendarstellerin jedoch fast nie vor. Das eklige Substrat wird lediglich in pornographischen Werken tatsächlich abgefilmt und direkt gezeigt. Lust und Kacken gehören offenbar schon mal irgendwie zusammen. Kunst und Kacken auch? Der Undergroundfilm tut sich dabei nicht übermäßig hervor. Zeichentrick-Scheiße wie Southpark kann ganz passabel mithalten und liefert weitere Duftmarken. Die Serienfolge mit der Scheißidee unseres Helden, das ganze Elternhaus im Inneren mit Scheiße zu streichen, sprengt alle bis dahin gesehenen Fäkal-Comic-Szenen-Rekorde.

Wo passiert im Film noch mehr Scheiße? Wo bekommt sie einen Platz? Beginnen möchte ich mit einer lustigen Szene aus Russ Meyers Beneath The Valley Of The Supervixens, oder wie immer der Streifen im Original heißt. Ausgestrahlt wurde das soft-pornographische Werk tief in der Nacht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Fans der braven Erotik werden verwundert auf die Schlägerei-Szenen mit verschiedenfarbigem Blut und im besonderen auf die mit dem fiesen Kackeklauer reagiert haben. So was gibt's halt nur bei Russ Meyer: Ein Schrottplatzmitarbeiter hat starke Probleme mit dem Stuhlgang. Immer, wenn er sich gemütlich in eine stille Ecke des Schrottplatzes verzieht, gesellt sich dieser Schurke mit der großen Sandschaufel unbemerkt zu ihm und klaut ihm das von Herzen herbeigesehnte Beweisstück – wusch, fliegt es über den Schrottplatz-Zaun! Der arme Scheißer, der sich nach Kräften abgemüht hatte, sieht immer angsterfüllter seiner Wendung hin zum körpereigensten Produkt entgegen. Vergebens – wieder nicht! Produkt-Verlust! Wenn man nicht sieht, daß man was macht, hat man tatsächlich oft den Eindruck, das Leben sei nichts wert, denke ich und schalte dann um auf Bestialismus.

Das Werk hier ist von Pier Paolo Pasolini und liefert wichtige Anhaltspunkte. In Die 120 Tage von Sodom, einer De Sade-Adaption, geht es im Groben um Faschismus. Kot wird unschuldigen Jugendlichen regelgerecht hingekackt. Das müssen diese durch vorangegangene Erniedrigungen schon entmenschten, unschuldigen Wesen sich erst ansehen, danach soll ein Mädchen den Kot mit einem Löffel genüßlich essen. Beachtet, daß ich jetzt automatisch Kot statt Scheiße tippe. Dieser Effekt ergibt sich aus der anti-verschissenen Ansprache, die dieser Film seinen Beschauern hält. Es ist ein Würgefilm, selbst für all diejenigen, die vielleicht sexuellen Kackspielen grundsätzlich unverkrampft gegenüberstehen. Auf die Inszenierung der Geste kommt's halt an.

Etwas Leichtes soll ich jetzt mal reinlegen? Von leicht verzapftem Mist hat Wim Wenders einen Haufen Filme auf Lager. Am besten sind die stummen Szenen mit den guten Bildideen. Einen Höhepunkt stellt dabei sicherlich die Szene aus Im Laufe der Zeit dar, in der die Kamera dem Hauptdarsteller Rüdiger Vogler auf seinem Gang in die Elbdünen folgt. Nicht hektisch, aber bestimmt schreitet er zum Zielort, läßt ganz gelassen die Hosen herunter und kackt – Adagio, non troppo – etwas hinter sich, das sich der oben erwähnte Schrottplatzarbeiter sicher im Traum nicht besser hätte ausmalen können, ohne Double, eine Wurst. Danke arte, das war eine Re ... verkneifen, – nach Maß!

Scheiß-Jörg

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