Ausgabe 8 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Ein-Euro-Jobs: durchgefallen!

Im Streit um den Einsatz von Ein-Euro-Jobbern im pädagogischen Bereich hat das Berliner Verwaltungsgericht der Klage des Personalrats einer berufsbildenden Schule stattgegeben. Das Gerichtsurteil begünstigt die Erfolgschancen von Klagen weiterer Schulen, die gegen den Einsatz von MAE („Mehraufwandsentschädigungs")-Kräften im Bildungs- und Betreuungsbereich geklagt haben.

Ein-Euro-Jobber machen seit Ende 2004 „zusätzliche und gemeinnützige Arbeiten"; seit Januar können Bezieher von Arbeitslosengeld II zu 30 Stunden Arbeit pro Woche verpflichtet werden ­ das sind 120 bis 180 Euro Mehrverdienst im Monat. Die Beschäftigungsträger erhalten pro Ein-Euro-Handlanger allerdings zwischen 500 und 1000 Euro ­ ein nicht von der Hand zu weisendes Geschäft. Daß das nun auch bei Schulen ein Grund ist, statt regulärer Arbeitsplätze Ein-Euro-Jobs einzurichten, ist unwahrscheinlich. Fest steht aber, daß an Berliner Schulen in den letzten Jahren massiv Stellen abgebaut wurden. Seit Ende 2004 werden nun in den „zusätzlichen" Bereichen Hausaufgabenbetreuung, psychologische Beratung, Bibliotheken und Computerräume, Sport-AGs, Sekretariate, Kantinen, Hausmeisterstellen, Reinigungs- und Renovierungsarbeiten fast ausschließlich Ein-Euro-Sklaven eingesetzt (die eine oder andere auslaufende ABM-Stelle ist auch noch darunter). Dabei gibt es ­ nur als ein Beispiel unter vielen ­ zur Zeit mehr als 400 Erzieher, die im Stellenpool als arbeitssuchend registriert sind. Die MAE-Kräfte hingegen sind durchaus nicht alle pädagogisch qualifiziert: An einer Neuköllner Grundschule arbeiteten im Frühjahr 2005 Bäckereiverkäuferinnen in der Betreuung, ein Malergeselle kümmerte sich um die Fußball-AG und ein arbeitsloser Germanist um den Computerraum. Wahrscheinlich machen sie ihre Sache sogar gut, die Bedingungen und Auswirkungen ihrer Arbeit sind aber vollkommen indiskutabel: Unter den hinreichend bekannten Gründen sei an dieser Stelle nur auf die Fluktuation verwiesen. Der Ein-Euro-Job dauert höchstens neun Monate, verlängert wird nicht.

An Berliner Schulen arbeiten zur Zeit etwa 5000 Menschen auf Ein-Euro-Basis; im Bezirk Neukölln ist sogar jeder vierte Beschäftigte an Schulen und Kitas ein Ein-Euro-Jobber. Ein Großteil der Berliner Ein-Euro-Jobs organisiert sich über Bildungs- und Beschäftigungsträger und die Wohlfahrtsverbände; die meisten Ein-Euro-Jobber arbeiten in Werkstätten, in der Pflege, in Kindergärten und Schulen.

Die Zahl der Ein-Euro-Jobs ist in Berlin inzwischen auf über 24000 gestiegen; bis Ende des Jahres sollen es nach dem Willen des Senats bis zu 50000 werden. Vielleicht machen aber auch noch mehr Lehrer Schule und dem Senat einen Strich durch die Rechnung.

Moritz Kesslau

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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