Ausgabe 7 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Pommes-Schlachten und offenes Biertrinken in der Fußgängerzone

Spandau will keine Großstadt sein und erregt sich über Trinker und Bettler

Spandau ist nicht Berlin. Geradezu idyllisch mutet die gepflegte Fußgängerzone zwischen Rathaus und Reformationsplatz an. Daß aber auch hier die Welt nicht in Ordnung ist, erkennt man erst auf den zweiten Blick: an den abgerissenen Gestalten mit Bierflaschen und den Punkern in den Seitenstraßen, die um ein paar Cent betteln. Und an den kleinen Tafeln an den Bänken am Markt, auf denen ein Hinweis angebracht worden ist, der tief blicken läßt: „Lagern, Nächtigen und Alkoholverzehr verboten! Zuwiderhandlungen: Bußgeld bis zu 10000 Euro."

Seit über einem Jahr hängen die Hinweise nun dort, die Bezirksverordnetenversammlung hat sie sich gewünscht. Die Tafeln teilen dem Ruhesuchenden zwar nichts Neues mit, denn das „Nächtigen, Lagern und Niederlassen zum Alkoholverzehr außerhalb zugelassener Schankflächen" ist nach dem Berliner Straßengesetz ohnehin verboten. Und zwar ganz unabhängig davon, ob ein gesonderter Hinweis ergeht oder nicht. An das Verbot dennoch zu erinnern, ist deshalb vor allem als Akt der Selbstvergewisserung zu deuten.

Die Probleme, auf die die Schilder hinweisen, lassen sich ohnehin nicht so einfach lösen. Alkoholmißbrauch und seine Begleiterscheinungen gibt es natürlich auch in Spandau. Wie der Pressesprecher des Baustadtrats, Patrick Sellerie, berichtet, rufen immer wieder Händler, Anwohner und Gewerbetreibende bei der Verwaltung an und beschweren sich über Verhaltensweisen, die „belästigenden Charakter" hätten. „Bänke und Sonnenschein" in Verbindung mit der Droge ­ das seien die Zutaten für Pöbeleien, öffentliches Urinieren und Bewerfen von Passanten mit Pommes mitten in der Altstadt. Auch wenn manche Kioskbesitzer zuerst den Stoff verkauften und sich dann über die randalierenden Kunden beschwerten, wie Sellerie indigniert bemerkt, sei der Bezirk in der Pflicht, etwas zu tun.

Wenn die Kiezstreifen gegen Trinker einschritten, differenziere man allerdings zwischen denen, die sich ruhig verhielten, und denen, deren Verhalten einfach nicht akzeptabel sei. Aber grundsätzlich würden alle angesprochen, und zwar als Präventionsmaßnahme mit dem Ziel, sie vom öffentlichen Trinken abzuhalten, erklärt Sellerie. Dasselbe gelte auch für die, die sich in Grünanlagen zurückgezogen hätten. Wer sich danebenbenehme, werde angesprochen, egal wo er sich aufhalte. Aber das Problem sei dort nicht so gravierend, weil es in Grünanlagen weniger Möglichkeiten gäbe, sich mit Stoff einzudecken.

Egal, ob die Trinker nur angesprochen werden oder ob Maßnahmen eingeleitet werden, das Ziel bleibt dasselbe: sie unter Druck zu setzen und zu vertreiben. Diese Praxis ist jüngst in die Kritik geraten. Der Arbeitskreis Kritischer Juristen an der Humboldt-Universität hält den entsprechenden Passus des Berliner Straßengesetzes für „verfassungsrechtlich zweifelhaft". Ein generelles Verbot öffentlichen Alkoholkonsums lasse sich daraus nicht ableiten. Und die Praxis, auch in Grünanlagen das Trinken sanktionieren zu wollen, sei eindeutig illegal. „Es bestehen durchaus Chancen, daß sich Betroffene erfolgreich mit Klagen zu Wehr setzen können", meint Stefanie Richter vom AKJ.

Spandau ist anders. Aber die Probleme sind dieselben wie in den Innenstadtbezirken. Man wird sie nicht lösen können, indem man Schilder an Bänken anbringt. Die Trinker halten sich ohnehin nicht daran: Während die einen den Schein wahren, indem sie ihren Stoff verschämt in einer Tasche verstecken, machen sich andere erst gar nicht die Mühe und trinken ihr Bier ganz offen.

Benno Kirsch

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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