Ausgabe 6 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Europa trennt

Neue Richtlinien zur Müllbeseitigung

Die meisten kennen das: Pünktlich zum gefühlten Sommeranfang landet die Betriebskostenabrechnung für das letzte Jahr im Briefkasten. Nach einem flüchtigen Blick auf die letzte Seite und die unterm Strich stehende Summe fragt man sich entsetzt: „Habe ich diesen Winter wirklich so viel geheizt?" Mit dem stillen Verdacht, die Hausverwaltung bereichere sich jährlich mehr am harmlosen Mietling, fliegt das Schriftstück auf den Stapel anzuzweifelnder Rechnungen, wo ihm eine gewisse Verweildauer sicher ist.

Auch im Juni 2006 wird selbst sparsamen Heizern eine Erhöhung der Betriebskosten ins Haus stehen. Der Grund dafür ist die Müllpreiserhöhung seit Januar diesen Jahres. Der fleißige Mülltrenner und Papiersammler fragt sich nun, warum er mehr berappen soll, wenn er doch schon mit der Grünen-Punkt-Verpackung auch deren Entsorgung bezahlt.

Die EU, in moralischen Fragen nicht ganz so einig wie im Richtlinienbeschließen, hat bereits 1999 einen einheitlichen Standard für Abfalldeponien festgelegt, der für alle europäischen Länder gilt. Anfang Juni diesen Jahres ist diese Vorschrift ausnahmslos in Kraft getreten. Erklärtes Ziel der EU-Deponie-Richtlinie ist die Reduzierung der schädlichen Ablagerungen von Abfällen im Boden und im Grundwasser. Darüberhinaus geht es darum, die gesamte globale Umwelt weniger durch Methangas, das den Treibhauseffekt sehr viel stärker fördert als zum Beispiel CO2, zu belasten. Das Methangas entsteht immer dann, wenn ein organischer Stoff vergärt.

Insgesamt zielt die Richtlinie also nur auf den nicht verwertbaren Restmüll ab, der zunächst in der schwarzen Tonne landet und dann auf einer Deponie verkippt wird, wo er in knapp 100 Jahren zu schwarzer Muttererde wird. Während dieser Zeit gehen Unmengen von Methan und anderen Gasen von einer herkömmlichen Deponie aus, darüberhinaus gelangen durch Regen zahlreiche Schwermetalle ins Grundwasser. Abfall auf einer Brandenburger Müllkippe zu entsorgen kostete bisher nur 100 Euro pro Kubikmeter und war damit so billig wie in ganz Deutschland nirgends. Doch damit ist nun Schluß! Alles was im Gegensatz zum Grünen Punkt, Papier oder Glasflaschen nicht verwertet werden kann, soll nun so behandelt werden, daß es der Umwelt deutlich weniger Schaden zufügt als bisher.

Da das neue Regelwerk von oberster Instanz kommt, war es Angelegenheit des Berliner Senats ein Konzept zur künftigen Verfahrensweise zu erarbeiten. Die in Berlin anfallenden knapp eine Million Tonnen nicht verwertbaren Hausmülls werden nun größtenteils der Industrie als Brennstoff zugeführt oder in luftdicht abgeschlossenen „Rotten" entsorgt. Da bei der Müllverbrennung nicht die Energiemenge entsteht wie bei normalen Heizstoffen, lassen sich die Unternehmen diesen Ausfall bezahlen. In der Rotte bleibt der Abfall solange, bis er nicht mehr biologisch aktiv ist, danach wird er auf eine Endproduktdeponie verfrachtet. Daß das teurer ist als die bisherige Vorgehensweise, liegt auf der Hand. In einem Jahr werden so 500000 Tonnen von Deponien ausgehende Gase vermieden.

Die BSR, bei der man auf Nachfrage durchaus detaillierte Informationen erhält, präsentiert sich nach außen als sehr gut auf die Veränderungen vorbereitet. Der anfallende Müll wird in stetig steigenden Mengen verwertet, denn von McDonald's bis zum Schulkind trennen (fast) alle ihren Abfall. Dadurch werden die Kosten gering gehalten, da alles, was im Restmüllcontainer landet, im ersten Schritt maschinell sortiert werden muß. Ziel ist es, ausschließlich die biologisch aktiven Stoffe nach der neuen Richtlinie zu behandeln und alles andere sofort zu verwerten. Die Kosten für die Abfallentsorgung steigen der BSR zufolge um insgesamt 34 Millionen Euro pro Jahr. Diese Summe wird auf die einzelnen Müllerzeuger, also auf Gewerbe und Einzelhaushalte verteilt. Glaubt man der BSR, sind es im Durchschnitt lediglich 1,67 Euro pro Haushalt und Monat mehr als bisher, jedoch abhängig von den jeweils genutzten Abfalltonnen und der Leerungshäufigkeit.

Doch erst die nächste Betriebskostenabrechnung wird genau über die gewachsenen Gebühren Auskunft geben. Aber was würde ein guter Berliner nicht alles für die Umwelt und ein zusammenwachsendes Europa tun?

Franciska Schubert

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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