Ausgabe 6 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Seltsame Vernunftehe von PDS und WASG

Nirgendwo ist der Spagat, den PDS und die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) derzeit vollführen, besser zu beobachten als in Berlin. Daß hier Personen für die Bundesebene zusammenarbeiten sollen, die sich auf Landesebene spinnefeind sind, brach erst neulich wieder hervor. Auf dem Landesparteitag der WASG Mitte Juni soll Bundesvorstandsmitglied Joachim Bischoff den PDS-Landesvorsitzenden Stefan Liebich als „Idioten" bezeichnet haben und darüberhinaus nannte er die Sozialistenriege „drittklassige Figuren". PDS-Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner deutete in einer Replik an, daß sie die Akteure der Berliner WASG für „erstklassige Dilettanten" hält.

Hauptknackpunkt in der gegenseitigen Abneigung ist die Beteiligung der PDS an der Landesregierung mit der SPD. Einige der WASG-Protagonisten sind ehemalige PDS-Funktionäre, etwa Rouzbeh Taheri, einst PDS-Bundesvorstandsmitglied. Die WASG wirft der Berliner PDS neoliberales Verhalten vor, da sie sich am Sozialabbau beteiligen würde und die Kürzungspolitik mittrage. Teile der Wahlalternativen-Kader gehörten zu den Initiatoren des gescheiterten Volksbegehrens zur Absetzung des Senats.

Kurz nach der Neuwahl-Verkündung durch Kanzler Schröder am NRW-Wahlabend Ende Mai und Oskar „Fremdarbeiter" Lafontaines prompter Ankündigung, für ein Linksbündnis zu kandidieren, waren seitens PDS und WASG in der Hauptstadt nur Statements à la „mit denen nie und nimmer" zu hören. Innerhalb weniger Tage muß es dann diverse Zurechtstutzungs-Gespräche in den jeweiligen Parteizentralen gegeben haben. Plötzlich war das Wort der „historischen Chance" in beiderseitigem Mund, wie wichtig es wäre, eine Opposition gegen die neoliberale Allparteien-Koalition im Bundestag aufzubauen und so weiter und so fort.

Nun zeichnet sich in Berlin die schizophrene Situation ab, daß die WASG auf der Liste der PDS auf Bundesebene zur Wahl antreten wird, aber nächstes Jahr ­ so hat es die Wahlalternative verkündet ­ will sie bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus gegen die Sozialisten kandidieren. Dies dürfte ein seltsames Unterfangen werden. Nicht zuletzt deswegen, weil PDS-Parteichef Lothar Bisky seiner Partei einen neuen Namen überstülpen will. Die Bezeichnung „Die Linkspartei" drückte er am 22. Juni im Parteivorstand durch, da alle anderen geplanten Namensgebungen wahlrechtlich nicht bestanden hätten. Nun gilt es, zwei Drittel der Delegierten des PDS-Sonderparteitags am 17. Juli zu überzeugen, der Umtaufe zuzustimmen. Ob das klappt, ist unklar, denn viele ostdeutsche Parteigänger fürchten sich vor dem Identitätsverlust durch die Reduktion der drei Buchstaben PDS auf ein einfaches Anhängsel.

Die Zusammenführung der beiden Parteien sei quasi sowieso mittelfristig geplant gewesen, hatte kürzlich Bisky freimütig erklärt. Er hatte den bis dato unbekannten Masterplan aus einer Schublade gezaubert: In zwei Jahren soll es sie dann geben, die vereinigte Linkspartei. Es wird eine seltsame Vernunftehe, die bereits in Berlin und auch bundesweit begonnen hat: eine Gemengelage aus Ex-SED-Kadern, Nachwuchs-Postsozialisten, diversen ehemaligen K-Gruppen-Mitgliedern, Trotzkisten-Jüngern, verhandlungserprobten Gewerkschaftern, attac-Tobin-Steuer- Fans, enttäuschten Sozialdemokraten, eine Handvoll undogmatischer Linke und einiger Ich-muß-mich-endlich-engagieren-Leuten. Wie und ob überhaupt konkrete emanzipatorische und progressive Politik von „Der Linkspartei" formuliert werden wird, ist noch nicht absehbar. Bislang sind nur klassisch sozialdemokratische Töne zu hören.

Am unangenehmsten wird die Verteilungsschlacht nach der Wahl werden. Dies deutet sich schon an, da ehemalige Aktivisten und Parteigänger wieder aus der inneren Emigration hervortreten. Viele der Linksparteiler, vor allem auch im Westen, sind Halb-Politprofis, die bereits in den Startlöchern sitzen und nach den Jobs gieren, die eine Bundestagsfraktion abwirft. Bei 40 Abgeordneten dürften das über mehrere hundert Stellen sein. Eins ist klar: Beim Spagat kann so einiges brechen.

Lorenz Matzat

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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